Der Brandstifter
aus dem Gespräch. » Wie sieht’s aus, Charlie, hast du noch Zeit für ein Bierchen?«
Der Chief Superintendent sah auf die Uhr. » Nicht so richtig, aber warum eigentlich nicht.«
Ich sah ihnen nach, wie sie zusammen davongingen und der Rechtsmediziner lebhaft sprach, während Godley sein graues Haupt neigte und ihm zuhörte. Sie gaben ein ungewöhnliches Paar ab– der eine so ausgesucht höflich, der andere so schroff und ungehobelt. Was sie verband, war ihr beinahe zwanghafter Drang, gute Arbeit zu leisten. Und darum ging es mir ja schließlich auch. Statt mich an den Rand gedrängt zu fühlen, sollte ich einfach weitermachen.
Denn wenn wir genügend Beweise fanden, um Rebeccas Tod mit dem Brandstifter in Verbindung zu bringen, konnte ich dorthin zurück, wo ich hingehörte.
Viel weiter kam ich an diesem Tag dann leider doch nicht mehr. Nach der Obduktion fuhr ich nach Hause und legte mich ins Bett. Vielleicht war ja der Schlafmangel schuld oder das eisige Wetter oder vielleicht auch die Tatsache, dass ich sonst mit Ian zu Camillas Dinnerparty hätte gehen müssen. Aber ich fröstelte, fühlte mich hundeelend und wollte einfach nur für mindestens zwölf Stunden meinem Bewusstsein entrinnen. Ich nahm ein Grippemittel, wobei ich bewusst nach dem griff, bei dem ein Aufdruck auf der Verpackung vor Schläfrigkeit warnte, ließ mich ins Bett fallen und schob mein Handy unter das Kopfkissen. Als Ian nach Hause kam, wachte ich kurz auf. Er blieb eine Zeitlang in der Tür stehen, wo ich ihn im Gegenlicht als Silhouette wahrnahm. Weder er noch ich sagte etwas, und ich wusste nicht, ob ich erleichtert oder betrübt sein sollte, als sich seine Schritte in Richtung Gästezimmer entfernten. Das war es doch, was ich gewollt hatte, aber irgendwie auch wieder nicht. Eigentlich wollte ich ja nur, dass es wundervoll lief zwischen uns und dass alles wieder so wurde, wie es früher einmal gewesen war. Trennen wollte ich mich von Ian nicht, denn ich hatte ihn einmal gemocht, sehr sogar. Und ich mochte ihn immer noch. Aber er konnte nicht verstehen, warum mein Job so wichtig für mich war, und ich konnte nicht verstehen, warum er so eifersüchtig darauf war.
Am nächsten Morgen stahl ich mich leise aus der Wohnung und ging zur Arbeit, obwohl Samstag war. Als ich die Tür zur Einsatzzentrale öffnete und auf meinen Schreibtisch zusteuerte, musste ich plötzlich an Louise North denken. Vielleicht war sie ja auch gerade in ihrem Büro. Daran war absolut nichts Unnormales, ganz egal, was Sam davon hielt. Ich machte eben noch ein paar Sachen fertig– und ging dabei, zugegebenermaßen, meinen privaten Problemen aus dem Weg. Aber die drängten nicht weiter, wohingegen ich meine berufliche Laufbahn dringend wieder in die Spur bekommen musste. Also beschäftigte ich mich damit, statt meinem eigenen Privatleben dem von Rebecca Haworth auf den Grund zu gehen, und schaffte es sogar einigermaßen, die leise Stimme in mir auszublenden, die mir dringend einreden wollte, dass das ein Fehler war. Diese Stimme erinnerte mich an die meiner Mutter, von daher hatte ich Routine darin, sie einfach zu überhören.
Die Durchsuchung von Rebeccas Wohnung war inzwischen abgeschlossen, und jemand hatte einen Karton mit ihren persönlichen Unterlagen zusammengestellt, der jetzt auf meinem Schreibtisch stand. Es war nicht viel– Kontoauszüge, astronomische Kreditkartenabrechnungen, unbezahlte Stromrechnungen, die schon in der letzten Mahnrunde waren. Offenbar war sie mit ihren Finanzen genauso nachlässig umgegangen wie mit ihrem Haushalt. Ich legte ihre Festnetz- und Mobiltelefonrechnung mit dem Vorsatz zur Seite, sie mir in einer ruhigen Minute genauer anzusehen. Ein Ordner mit der Aufschrift ARBEIT enthielt das Firmenhandbuch einer PR -Agentur namens Ventnor Chase, einen Vertrag und Informationen zu Rebeccas Leistungsbezügen– Einkommen, Betriebsrente, Kranken- und Lebensversicherung. Ich überflog die Zahlen und hatte die Lippen zu einem lautlosen Pfeifen gespitzt. Man hatte sie gut bezahlt für ihre Arbeit. Kein Wunder, dass sie sich neben ihrer teuren Wohnung noch eine Drogensucht leisten konnte.
Ich blätterte den Rest der abgehefteten Seiten durch und stutzte plötzlich. Ganz hinten im Ordner war ich auf einen Aufhebungsvertrag und ein Formular für Steuerrückerstattungen nach Kündigung gestoßen. Ihr Arbeitsverhältnis bei Ventnor Chase war im August beendet worden, man hatte ihr eine kleine pauschale Abfindung gezahlt und die sonstigen
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