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Der Brandstifter

Der Brandstifter

Titel: Der Brandstifter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Casey
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Mageninhalt zu verlassen. Angst bremst das Verdauungssystem aus. Wut beschleunigt es. Schwere Verletzungen bringen es völlig zum Erliegen. Meine bevorzugte Methode ist immer die Körpertemperatur– bei einer solchen Brandleiche ist sie allerdings vollkommen ungeeignet.«
    » Aber eine Schätzung kannst du doch abgeben.« Das war nicht als Frage formuliert. Godley wusste, dass der Rechtsmediziner immer eine kluge Antwort parat hatte, sosehr er auch beteuerte, wie unmöglich eine exakte Aussage sei.
    Er grummelte. » Schwer zu sagen. Wegen der Feuereinwirkung und der dadurch verursachten Kontraktion der Muskelfasern ist ja auch die Leichenstarre hier kein verlässlicher Anhaltspunkt. Ich werde dir wohl nur sagen können, ob sie noch lebte oder schon tot war, als das Feuer entzündet wurde. Wir werden mehr sehen, wenn ich sie öffne, aber ich habe keinen Ruß in ihren Atemwegen festgestellt. Jetzt zu den Brandverletzungen. Die passen zu den anderen Opfern eures Serienmörders. Handflächen und Finger in Benzin getränkt, Gesicht jedoch nicht. Verbrennungen dritten Grades an Unterarmen, Oberschenkeln und Unterleib, Verbrennungen zweiten Grades an Hals und Brust. Ich gehe von etwas über fünfzig Prozent verbrannter Körperoberfläche aus.« Wieder sah er mich an. » Wissen Sie, wie man das berechnet? Nein? Diese Fläche hier«– dabei hielt er seine Hand hoch und kreiste die Handfläche ein– » zählt als etwa ein Prozent der Körperfläche. Damit bestimmt man unregelmäßig geformte Verbrennungsareale. In Fällen wie diesem, wo großflächige Schäden vorliegen, wenden wir die Neunerregel an. Wir rechnen mit neun Prozent für jeden Arm und den Kopf, achtzehn Prozent pro Bein, achtzehn Prozent für die Vorderseite des Rumpfes und achtzehn Prozent für die Rückseite. Und dazu noch ein Prozent für die Genitalien.«
    Während der Rechtsmediziner weitersprach, fiel mir auf, dass Godley Recht hatte: Es interessierte mich. Es interessierte mich so sehr, dass ich fast vergessen hatte, dass die Gestalt vor uns einmal ein Mensch gewesen war, eine Person mit Hoffnungen, Träumen und Gefühlen. Jetzt war sie ein zu bewältigendes Problem, ein zu lösendes Rätsel. Dennoch durchfuhr mich ein Schaudern, als Dr. Hanshaw das Skalpell ansetzte und in den Leichnam hineinschnitt, um den Rumpf in einer Y-Form zu öffnen, die sich von den Schultern bis hinunter zum Schambein erstreckte.
    Zügig untersuchte er die Organe, wog sie, entnahm Proben, sezierte sie, zeigte uns, was er fand. Alles war normal, trotz ihrer Lebensweise war sie leidlich gesund. Ihr wären noch mehrere Jahre geblieben, bis sie davon eingeholt worden wäre. Die Farbe ihrer Organe war erstaunlich hell, die Formen vertraut von den Auslagen beim Fleischer, und irgendwie fühlte ich mich an nichts Geringeres erinnert als an die Beweisfotos von Mary Jane Kelly, dem letzten Opfer von Jack the Ripper– verstümmelt, zur Schau gestellt, mit einem Berg undefinierbarer Eingeweide auf einem Tisch dahinter. In meinem Kopf kollidierten diese widerwärtigen Bilder mit dem, was ich gerade sah, und alles fing an, sich zu drehen. Haltsuchend streckte ich die Hand aus und bekam den Ärmel des Chief Superintendent zu fassen. Er fuhr herum und sah mich an.
    » Alles in Ordnung? Brauchen Sie eine Pause? Ein bisschen frische Luft?«
    Ich schüttelte den Kopf und brachte ein Lächeln zustande. Sprechen wollte ich aber lieber nicht.
    » Ich habe Blutproben entnommen«, fuhr Hanshaw fort, » damit wir sie zusammen mit den Haaren untersuchen und feststellen können, was sie genommen hat.«
    » Wir wissen, dass sie Kokain konsumierte«, warf Godley ein.
    » Das hätte ich dir anhand des Zustands ihrer Nase auch sagen können. Erhebliche Schäden an der Nasenscheidewand. Ich habe auch Proben von ihrem Auge entnommen– der Glaskörper liefert immer ein ganz gutes chemisches Profil, wenn der Körper starker Hitze ausgesetzt war. Ich werde außerdem Urin für die Analyse entnehmen und den Mageninhalt, so wie er ist, für eine toxikologische Untersuchung konservieren.«
    Die Vorstellung einer Nadel, die in das Auge des Opfers gestochen wird, war schon hart an der Grenze für mich. Aber als Hanshaw wieder das Skalpell zur Hand nahm und ihren Kopf von einem Ohr zum anderen aufschnitt und die Haut nach unten über das Gesicht abzog, um den Schädel freizulegen, hatte ich endgültig genug gesehen. Ich murmelte eine Entschuldigung, lief zielstrebig auf die Tür zu und verschwand. Es war mir

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