Der Brandstifter
vollkommen egal, wer jetzt was über mich dachte. In diesem Raum konnte ich unmöglich auch nur eine Sekunde länger bleiben. Den Autopsiebericht konnte ich ja lesen, aber sehen musste ich ganz bestimmt nichts mehr.
In der Eingangshalle ging ich zum Wasserspender und leerte einen Becher nach dem anderen, bis sich mein Magen etwas beruhigt hatte und ich wieder einigermaßen ich selbst war. Ich musste noch auf Godley warten, um mich bei ihm zu entschuldigen. Es kam mir vor, als hätte ich ihn vor Dr. Hanshaw im Stich gelassen. Nicht abgebrüht genug, wie immer. Nicht robust genug, um Mordfälle aufzuklären. Die morgendlichen Sticheleien der beiden Streifenbeamten fielen mir wieder ein, und heimlich fluchte ich vor mich hin, genervt von meinen Selbstzweifeln, die ich einfach nicht abschütteln konnte. Männer stellten sich nicht ständig selbst infrage. Männer zerbrachen sich nicht permanent den Kopf darüber, wie sie von anderen wahrgenommen wurden. Männer machten einfach ihre Arbeit und gingen dann nach Hause, gänzlich unbeeindruckt von dem, was sie gesehen hatten– und wenn sie doch etwas belastete, dann zeigten sie es nicht. Ich hingegen war so gut wie in Ohnmacht gefallen. Natürlich gab es eine Menge Polizeibeamtinnen in leitender Position, aber ich war eben die Einzige, die in Godleys Team die Fahne des Feminismus hochhielt, die noch dazu ein ziemlich kleines und gebeuteltes Exemplar war.
Fairerweise musste man allerdings sagen, dass Godley mir nicht großartig Vorwürfe machte, als er schließlich mit Dr. Hanshaw auftauchte.
» Na, geht’s wieder besser?«
» Viel besser.« Ich sah Dr. Hanshaw an. » Tut mir leid. Es war wirklich sehr interessant.«
» Das nächste Mal sollten Sie bis zum großen Finale bleiben. Das Beste haben Sie nämlich verpasst. Nichts geht über den Moment, wenn man die Schädeldecke abgenommen hat und zum ersten Mal das Gehirn vor sich sieht.«
Niemals. Nie und nimmer. Ich lächelte höflich. » Was haben Sie denn dabei entdeckt?«
» Drei Schläge auf den Hinterkopf mit einem stumpfen Gegenstand. Dem Winkel nach zu urteilen, sucht ihr nach einem Rechtshänder. Der erste Schlag erfolgte, als das Opfer entweder saß oder kniete, die anderen wurden ihm beigebracht, als es am Boden lag. Ich kann Ihnen nicht sagen, welcher davon tödlich war, aber es muss sehr schnell gegangen sein. Sie war schon tot, bevor das Feuer angezündet wurde.«
» Das ist doch schon mal was.«
» Die Frage ist, ob wir nach einem Mörder suchen oder nach zweien«, sagte Godley düster. Ich war f i hm einen kurzen Blick zu.
» Sie meinen einen Nachahmungstäter?«
» Ich denke, wir sollten unvoreingenommen an den Fall herangehen. Das darf zwar nicht nach draußen dringen, damit ich es im Auge behalten kann, aber ich will, dass Sie sich ganz auf Rebecca Haworth konzentrieren, Maeve. Wenn sich dann herausstellt, dass es ein und derselbe Mörder ist, wissen wir es zuerst. Aber ich möchte verhindern, dass die Medien davon Wind bekommen, dass es möglicherweise zwei Täter gibt– genau das könnte jedoch passieren, wenn ich weitere Ermittler einbeziehe. Wir müssen jede Panikmache verhindern. Ein Serienmörder ist schlimm genug, zwei sind undenkbar. Also muss das unbedingt unter uns bleiben. Auch deshalb, weil Rebeccas Mörder– falls er nicht unser Serienmörder ist– glauben soll, dass wir total auf dem Holzweg sind. Er soll sich in falscher Sicherheit wiegen und Fehler machen.«
So weit war mir der Sinn seiner Worte durchaus klar. Der nächste Teil allerdings erwischte mich kalt.
» Ich werde Tom die Leitung der Ermittlungen übertragen und möchte, dass Sie komplett für ihn arbeiten. Sie sind ihm unterstellt, und er wird mich auf dem Laufenden halten. Er kann auch noch ein paar Leute aus dem Team zu Ihrer Unterstützung abstellen. In einer Woche werden wir sehen, wie weit Sie gekommen sind.«
Eigentlich hätte ich hocherfreut sein sollen, dass mir so viel Aufmerksamkeit zuteil wurde und ich die Gelegenheit bekam, mich zu beweisen, aber andererseits fand ich es auch unfair, dass ich als Preis dafür unter Inspector Judd arbeiten musste. Und hinten runterfallen wollte ich eben auch nicht.
» Kann ich trotzdem weiter bei der Soko Mandrake mitarbeiten? Falls ich dazu Zeit habe, meine ich?«
Er wirkte amüsiert. » Wenn Sie Zeit haben, natürlich. Aber Rebecca Haworth muss oberste Priorität für Sie haben.«
» Ich schicke Ihnen den Bericht dann in Kopie«, sagte Hanshaw und entließ mich damit
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