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Der Brennende Salamander

Der Brennende Salamander

Titel: Der Brennende Salamander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingeborg Bayer
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der Palazzo war zunächst nicht in seiner ganzen Größe sichtbar, man sah lediglich den Teil einer mit Efeu bewachsenen Mauer, von Fackeln schwach beleuchtet, da das Licht des Tages noch nicht völlig erloschen war. Nach einigen Schritten öffnete sich der Garten zu einem Rund mit einem steinernen Wasserbecken, in dem ein marmorner Delphin eine hohe Fontäne emporsprühte. Ein kleiner Grashof war zu beiden Seiten mit Büschen umstanden, deren Blüten einen intensiven, fast lähmenden Geruch ausstrahlten. In der Nähe stieß ein Pfau einen schrillen Schrei aus.
    Ich blieb stehen, atmete den Duft ein, der mich fast schwindlig machte, und schaute hinüber zu Nardo, der mich lächelnd gewähren ließ.
    Laßt Euch Zeit, sagte er dann. Ich denke, man braucht sie.
    Ich nickte und lauschte dabei auf die Klänge eines Instruments, vermutlich einer Harfe. Ich kannte die Melodie – es war ein altes Liebeslied, das meine Amme oft leise vor sich hin gesungen hatte, wenn sie einem ihrer Milchkinder die Brust gab.
    Auch Venedig hat ein Anrecht darauf, als die schönste Stadt derWelt zu gelten, sagte er dann lächelnd, nicht nur Florenz. Kommt!
    Wir ließen den Brunnen zur Linken liegen, umrundeten einen großen steinernen Sessel, der mir uralt erschien und nicht aus diesem Land sein konnte, stiegen einige Stufen hinab, so daß wir uns eigentlich fast auf der Wasserebene befinden mußten. Dann verließen wir diesen Teil des Gartens. Zwischen einer Libanonzeder und einer Deodorazeder kamen wir zu einem kleinen gepflasterten Platz, auf dem Obst zum Nachreifen in der Sonne ausgelegt war. Zur rechten Seite wölbte sich ein großer Rosenbogen, der in den Nutz- und Kräutergarten führte, geradeaus führte ein schmaler, geschlängelter Kiesweg zum hinteren Teil des Palazzo, wo ich hinter dichtem Gebüsch auf einer Wand Farbflecke sah, für die ich mir keine Verwendung vorstellen konnte.
    Nardo bemerkte meinen Blick und sagte rasch, daß ich mir diesen Teil des Gartens für ein andermal aufheben solle, es sei zu spät für heute.
    Er stieg vor mir eine schmale Außentreppe seitlich des Palazzo empor, die zu einer kleinen Empore führte. Dort winkte er mir zu und legte den Finger auf die Lippen. Ich folgte ihm und bemühte mich, leise zu sein.
    Die Harfenklänge waren inzwischen in aller Deutlichkeit zu hören, so daß ich erwartete, im nächsten Augenblick die Spielerin zu sehen.
    Aber das, was ich erblickte, als wir die Empore betraten, war keine Harfenistin. Ich sah ein Mädchen oder eine junge Frau, genau konnte ich es im Zwielicht nicht feststellen.
    Die Frau tanzte.
    Sie tanzte in einem Saal, von dem ich wußte, daß es die sala war, ein Raum etwa zehn braccio lang und fünf braccio breit. Sie bewegte sich zu den Klängen der Harfe, die sich in einem Nebenraum befinden mußte. Sie bewegte sich, als befinde sie sich auf einem Schiff, dessen Wellen sie nachzuahmen versuchte. Das Lied erzählte von einem Mädchen, das aufs Meer hinausfuhr, um dort ihren Liebsten zu treffen. Die Frau trug ein weitschwingendes Gewand aus fließender blauer Seide, dazu Tanzschuhe von der gleichen Farbe und einen Schal, der in der Luft zu schweben schien.
    Ghita tanzt, flüsterte Nardo an meinem Ohr.
    Eure Schwester?
    Er lachte leise. Meine Mutter.
    Eure Mutter? fragte ich so verblüfft, daß er die Fragezeichen des Unglaubens hören konnte.
    Sie ist nicht mehr ganz so jung, wie sie wirkt, sagte er leise. Aus der Nähe werdet Ihr es sehen. Kommt, laßt uns gehen! Sie mag es nicht, wenn man sie beim Tanzen beobachtet.
    Er stieg vor mir die schmale Treppe wieder hinunter. Die Melodie begleitete uns, bis wir durch den Haupteingang das Haus betraten.
    Das Abendessen wurde in der sala eingenommen, die mir nun größer erschien, als ich sie zunächst eingeschätzt hatte. An den Wänden hingen mächtige Spiegel in kunstvollen Rahmen, dazwischen steckten in Wandhaltern Fackeln, deren Schein über den Tisch zuckte, auf dem zusätzlich große silberne Leuchter verteilt waren, im Kamin brannte ein üppiges Feuer.
    Nardos Mutter saß am Kopfende des Tisches, der vor unseren Augen in den Raum getragen worden war. Der Sohn hatte an der gegenüberliegenden Seite Platz genommen.
    Ghita trug offensichtlich eines der seidenen Gewänder, die Nardo aus China mitgebracht hatte, um den Hals eine Kette aus matt schimmernden, schwarzgrünen Perlen, deren sanfter Glanz an Pfauenfedern erinnerte.
    Das Mahl wurde zelebriert, es fand nicht einfach statt. Nardos Mutter dirigierte das

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