Der Brennende Salamander
Tisch in der Loggia, sein Diener, ein pockennarbiger Tatar, bediente uns schweigend.
Dann unterhielten wir uns. Über diese Stadt, über die Malerei, über den Krieg, über die Medici. Und ob esmich glücklich mache, daß sie zurückgekehrt seien.
Wenn sie es nicht mit Feuer und mit Schwert getan hätten, wäre es mir lieber gewesen, sagte ich und erzählte von Prado.
Ich glaube kaum, daß dies die Absicht von Giovanni und Giuliano gewesen ist, meinte er, aber zu entschuldigen ist es selbstverständlich nicht.
Unser Essen bestand aus Gemüsesuppe, Lattich- und Endiviensalat, einer Pastete, indisch gewürztem Huhn, Fischen, gekochtem Hammelfleisch, Eierkuchen und Trauben, wobei ich später, als mich Daniele abfragte, wie üblich Schwierigkeiten hatte, die richtige Reihenfolge zu nennen, da mich alles andere an diesem Abend mehr interessierte als die Speisen. Lediglich der Greco-Wein blieb mir in exakter Erinnerung, da ich, wie ich auf dem Heimweg feststellte, viel zuviel von ihm getrunken hatte.
Und immer wieder fragte ich mich, was der Grund dieser Einladung war, zumal inzwischen die Dunkelheit hereingebrochen war und der Diener längst Kerzenhalter auf unseren Tisch gestellt und in die Halterungen an der Turmwand Fackeln gesteckt hatte. Irgendwann kamen wir dann auf Lorenzo il Magnifico zu sprechen, und Nardo wollte wissen, was ich von ihm hielt.
Ich schüttelte den Kopf. Ich war zehn Jahre, als er starb, ich kann nicht sagen, daß ich ihn gekannt habe.
Ich habe ihn zwar gekannt, aber natürlich war ich zu jung für seine Akademie. Aber es war trotzdem so, als gehöre ich dazu. Ich begann zu rechnen, er legte jedoch seine Hand auf meinen Arm. Falls Ihr jetzt nachrechnen wollt, erspart es Euch! In diesem Haus spielt die Zeit keine wichtige Rolle. Es gibt auch keine Uhren. Und wie alt Ihr seid, fügte er hinzu, interessiert niemanden.
Ein Satz, an den ich später nicht nur einmal denken mußte.
Es war meine Mutter, die so gern diese Akademie besucht hätte. Aber natürlich durfte nicht sie, sondern nur ihr Zwillingsbruder dorthin gehen. Das war freilich kaum anders, als wenn sie es gewesen wäre: Jeden Abend wurde das, was er Wissenswertes von der Akademie mitbrachte, an sie weitergegeben.
Ihr habt schon damals hier gelebt, in diesem Turm?
Nur zeitweise, im Sommer. Wir drei, mein Großvater, meine Mutter und ich – der Zwillingsbruder meiner Mutter verunglückte früh –, lebten ein ziemlich ungewöhnliches Leben, eines, das nicht immer die volle Zustimmung der übrigen Bürger fand. Ich weiß nicht, was sie uns alles andichteten, Sodomie und Hexerei ganz gewiß.
Ist es wahr, daß Ihr als Agent gearbeitet habt, im Lande umhergereist und kostbare und vergessene Handschriften für Lorenzos große Bibliothek ausfindig gemacht habt? Und einmal sollt Ihr sogar auf einem Klosterabtritt Ovid- oder Tacitus-Handschriften als Latrinenpapier entdeckt und die kostbaren Texte den Mönchen für ein paar Kupfermünzen abgekauft haben.
Er lachte. Davon stimmt nur die Hälfte: Es war vor allem nicht zu Lorenzos Zeiten, sondern später, als ich bereits an der Universität in Bologna studierte.
Und Ihr kamt nie mit den Sbirren in Konflikt, mit der Inquisition?
Er lächelte. Es mag Euch irritieren, aber in dieser Stadt sind die meisten bestechlich. Und wer einen Namen hat und Einfluß im Großen Rat, den trifft so leicht kein Bann.
Euer Großvater, er hatte diesen Einfluß?
Er hatte ihn, sagte Nardo schlicht.
Allem Anschein nach war einiges, was Mona Orelli über Nardo gesagt hatte, vermutlich doch wahr.
Als wir beim Nachtisch angelangt waren, sah ich, wie sein Blick plötzlich auf meine Hände gerichtet war, die ich nervös verschränkt hielt.
Werdet Ihr noch erwartet, heute abend?
Ich schüttelte den Kopf, dachte aber an Danieles Verabschiedung. Nein, nicht unbedingt. Es ist nur mein Boot, das nicht mehr ganz in Ordnung ist.
Wir werden esuns später anschauen, sagte er sofort und gab dem Diener ein Zeichen mit der Hand. Der Mann nickte und verschwand im Haus.
Sie haben ihm einst die Zunge herausgerissen, er kann nicht mehr reden, erklärte er. Meine Jugend in diesem Turm war etwas sehr Kostbares, fuhr er nach einer Weile fort. Unser aller Leben war, wie gesagt, reichlich ungewöhnlich. Es gab keine doctores puerorum in unserem Haus; mein Großvater war nicht nur mein Lehrer, sondern auch der meiner Mutter und meines Onkels. Er nahm uns mit hinaus in die Wälder, in denen es kein Katheder, keinen Abakus und
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