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Der Brennende Salamander

Der Brennende Salamander

Titel: Der Brennende Salamander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingeborg Bayer
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keine Arithmetik gab. Wir lernten die Natur kennen, die Tiere und die Pflanzen. Und vor allem die Sterne und den Lauf des Mondes und der Sonne, die Dinge, denen ich später verfallen bin. Ich kam nie mehr los davon und studierte dann auch diese Kunde von den Sternen, die bis jetzt mit der Astrologie verknüpft ist. Ich durfte stets das lernen, was ich lernen wollte, und kein abbachista schlug mich mit der Rute oder mit dem Riemen, wenn ich etwas nicht wußte. Und ich lernte ohnehin nur, wenn ich lernen wollte, nicht weil ich mußte. Wenn andere Kinderbeim Schlafengehen von ihrer Mutter ein Nachtgebet vorgebetet bekamen, so sagte mir meine Mutter Lorenzos Kanzonen auf:
    So kommt es,daß der holden Göttin Klage,
Mit ihrer Sehnsucht innerlich vereinet,
An jedes Frühlings sonnerfülltem Tage
In unserm Dufte immer neu erscheinet.
    Nach seinem Tod war die Welt leer für uns, sagte er dann leise, schrecklich leer.
    Vom Fluß herauf waren Stimmen zu hören. Nardo stand auf und schloß die kleine Pforte, durch die ich hereingekommen war. Es ist wegen der Neugierigen, sagte er, wie ich fand, leicht verlegen. Wenn sie merken, daß ich Besuch habe, stehen sie schon bald da draußen und versuchen hereinzuschauen.
    Dann schwiegen wir für eine Weile, bis die Nachtigallen wieder sangen, die ganz in der Nähe zu hören waren.
    Und Ihr lebtet alle zusammen in diesem Turm und nicht in der Stadt?
    Sein Blick kehrte vom Fluß zurück. Ja, aber nicht lange, dazu gab es nicht genügend Platz. Wir lebten den Sommer über an verschiedenen Orten in der Toskana, auch in jener Villa, die Ihr ausgemalt habt. Aber das übrige Jahr waren wir woanders.
    Ich schaute ihn fragend an.
    Es ist genau der Ort, an den ich Euch einladen möchte, sagte er dann lächelnd. Zumindest für einige Zeit.
    Ich schaute ihn weiterhin an, spürte, wie das, was ich während meiner Herfahrt empfunden hatte, sich wieder in mir regte. Ich hatte den Eindruck, daß es näher kam, so daß ich es nun fast greifen konnte.
    Venedig, sagte er schließlich und weidete sich an meinem Gesichtsausdruck.
    Ich legte mein Mundtuch auf den Tisch und starrte ihn an. Ihr wollt, daß ich nach Venedig komme? fragte ich irritiert.
    Ja. Das war der Zweck dieser Einladung. Könntet Ihr Euch vorstellen, eine Weile dort zu leben?
    In Venedig?
    Ja, in Venedig. Ich stamme ja von dort. Ich weiß nicht, ob Ihr es gewußt habt. Er stand auf, ging zu einem Seil, das am anderen Ende der Loggia gespannt war, und nahm ein Stück Seidenstoff herunter, dessen Farben trotz der Nacht im Schein der Kerzen zu erahnen waren. Gefällt er Euch?
    Er ist wunderschön, sagte ich zögernd und verwirrt zugleich, da ich mir kaum vorstellen konnte, daß er mir zu dieser Stunde ein Stück Seidenstoff schenken wollte.
    Ihr sollt ihn nachher für Brigida mitnehmen, sagte er und klingelte dem Diener, um den Stoff einwickeln zu lassen. Wir haben uns heute morgen leider verpaßt. Er machte eine Pause. Aber Ihr könnt Euch gewiß auch vorstellen, daß ich nicht unbedingt davon angetan bin, mit dieser seltsamen Mona Orelli zu Tisch zu sitzen, wenn ihr Mann nicht anwesend ist. Und da diese Frau ohnehin nichts anderes in ihrem Kopf hat, als einen möglichst reichen Bräutigam für ihre Tochter zu finden, sind Gespräche mit ihr etwas mühsam – falls man das überhaupt Gespräche nennen kann.
    Ich mußte lachen. Das sind sie gewiß.
    Wenn ich den Lärm hier in Florenz nicht mehr ertrage, dann gehe ich nach Venedig, sagte er nach einer Weile. Ich sehne mich nach unserem Garten dort. Hier habe ich nichts weiter als diese winzige Ecke mit meiner Feige und dem Zitronenbaum.
    In Venedig ein Garten? fragte ich verblüfft. Ich dachte, so etwas gibt es dort nicht.
    Man sieht die Gärten nicht allzuoft, weil sie meist hinter Gittern verborgen sind. Und es sind auch nicht eben viele. Er wischte sich ein Erdklümpchen von seinen Beinkleidern und lachte dann. Aber es dürfte klar sein, daß ich Euch nicht wegen des Gartens nach Venedig einladen will. Ihr habt doch vor einiger Zeit in der Villa von Brigidas Vater gearbeitet, das stimmt doch?
    Wir haben dort gemalt, Rocco, Daniele, Lazzaro und ich, korrigierte ich ihn.
    Er machte eine abweisende Handbewegung. So groß ist der Auftrag nicht, den ich zu vergeben habe. Ich kann nur einen von Euch gebrauchen. Jemand, der sich mit der prospettiva auskennt, weil diese meiner Mutter wichtig ist.
    Ich spürte, wie mir die Röte ins Gesicht stieg, und dachte an meine ständigen Tetraederversuche,

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