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Der Brenner und der liebe Gott

Der Brenner und der liebe Gott

Titel: Der Brenner und der liebe Gott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Haas
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er hat jetzt wahnsinnig damit zu tun gehabt, dass ihm der Knoll und das Handy nicht zugleich in die Senkgrube fallen, und da darf man ihm nicht böse sein, dass er nicht gleich einen guten Spruch auf den Lippen gehabt hat. Damit hat er ja wirklich nicht rechnen können, dass die so ein wahnsinnig gutes Zahlengedächtnis hat.
    »Was ischt denn mit dir los?«, hat die Südtirolerin gefragt.
    »Wieso, was soll los sein?«
    »Du klingst ja, als wäre dir gerade der Teufel erschienen.«
    »Wieso soll mir der Teufel erschienen sein?«
    »Stör ich vielleicht? Du schnaufst ja, wie wenn du -« »Wieso soll ich nicht schnaufen?«
    Dann hat der Brenner in die Senkgrube gekotzt, und nicht dass du glaubst, er hat wenigstens vorher das Handy aufgelegt, sondern das hat sich die Südtirolerin alles schön anhören dürfen, und sie hat gefragt: »Kotzescht du gerade?«
    »Wieso soll ich kotzen?«, hat der Brenner gefragt. »Ich muss dir was Wichtiges sagen.«
    Am liebsten hätte der Brenner geantwortet, sie soll es sich behalten, das Wichtige. Weil das hat er noch nie gemocht, wenn eine Frau angefangen hat mit: Ich muss dir was Wichtiges sagen. Das ist noch jedes einzelne Mal etwas Unangenehmes gewesen! Und immer hat man interessiert tun müssen, weil sonst hat es gleich geheißen: Oder interessiert es dich gar nicht.
    »Oder interessiert es dich gar nicht? «, hat die Südtirolerin gefragt. »Sag schon.«
    »Ich hoffe, dein Telefon wird nicht abgehört.«
    Der Brenner hat vor Schreck, dass der Knoll tot war, und vor Erleichterung, dass es nicht die Helena war, so zu zittern angefangen, dass er die Südtirolerin fast nicht mehr gehört hat.
    »Weil ich hab an dem Tag doch wen gesehen auf der Tankstelle.«
    »Das fällt dir jetzt erst ein?«
    Jetzt war sie es, die nicht geantwortet hat. »Wie hat er denn ausgesehen?«
    »Ich rede nicht von einem er, sondern von einer sie.« Dem Brenner ist vorgekommen, dass das Gesicht vom Knoll ihn höhnisch angegrinst hat. Aber das war nicht der Grund, dass er ihn wieder in die Senkgrube zurückgeworfen hat. Sondern seien wir uns ehrlich. Was hätte er sonst mit ihm tun sollen?
     

14
     
    Wie der Brenner dreiundsechzig Stunden nach dem Verschwinden der Helena kurz vor Mitternacht bei der Südtirolerin in der Tür gestanden ist, hat sie gleich einmal die Augen verdreht. Und ob du es glaubst oder nicht, der Brenner auch die Augen verdreht. Da muss man ganz ehrlich sagen, so fangen normalerweise keine großen Liebesgeschichten an, aber das Augenverdrehen hat schon seine Berechtigung gehabt, und zwar auf bei den Seiten volle Berechtigung.
    Der Brenner hat seine Augen verdreht, weil er vor lauter Pflanzen fast nicht bei der Tür hineingekommen ist, Gärtnerei nichts dagegen. Und sie hat die Augen verdreht, weil den Brenner immer noch ein Hauch von Klärgrube umweht hat, obwohl er sich im noblen Almbadezimmer eine Viertelstunde lang geduscht und dann das frische Gewand aus seiner Reisetasche angezogen hat. Und bevor du jetzt fragst, was er mit dem dreckigen Gewand getan hat: in die Kitzbühler Ache geschmissen. Aber irgendwo tief in seinen Poren muss der Gestank noch gesessen sein, oder hat die Südtirolerin einfach so einen übertriebenen Geruchssinn gehabt. Umgekehrt, genauso diffus wie sein Hauch von Klärgrube war auch ihre Beschreibung der Frau auf der Tankstelle. Da wären ungefähr alle Frauen auf dieser Welt in Frage gekommen. Keine Größe, keine Haarfarbe, kein Garnichts. Und beim Kind war sie nicht einmal hundertprozentig sicher, ob eines dabei gewesen ist.
    »Aber dass sie kein Mann war, da bist du dir sicher«, hat der Brenner gebrummt. Weil er hat langsam den Verdacht gekriegt, dass sie ihn nur unter einem Vorwand hergelockt hat, weil ihr gerade langweilig war ohne Zeitung.
    »Glaubst du, ich hab keine Augen im Kopf!«
    Der Brenner hat nichts darauf gesagt, weil erstens war er viel zu müde zum Streiten, und zweitens hat die Südtirolerin ihm so gute Mitternachtsspaghetti gekocht, dass er fast vor Freude am Tisch eingeschlafen wäre. Weil Südtirolerinnen immer gute Köchinnen, und wie der Brenner sich nach drei Tellern Nudeln schwangerer gefühlt hat als jede Patientin, die jemals in der Abtreibungsklinik aufgetaucht ist, hat die Köchin ihm sogar angeboten, dass er hier schlafen kann. Aber nicht dass du glaubst! Weil die Südtirolerin hat ihm gleich klargemacht, dass er das nicht missverstehen soll.
    »Woascheh«, hat die Südtirolerin zum Brenner gesagt, aber das war Südtirolerisch

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