Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Brenner und der liebe Gott

Der Brenner und der liebe Gott

Titel: Der Brenner und der liebe Gott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Haas
Vom Netzwerk:
das sie ihm noch extra hineingetan hat, hat sie nichts gesagt. Und ausgerechnet jetzt, wo es zu wirken angefangen hat, ist der Milan am Telefon gewesen.
    Dem Brenner ist vorgekommen, als würde er durch den Anruf, der ihn nach allem auch noch um vier Uhr früh in die Jugodisco lockt, auf zwei Meter fünfzig gestreckt. Und der Brenner ist nie der Größte gewesen, wo man sagt, zwei Meter fünfzig heißt nicht viel, weil da genügt schon eine mittlere Streckbank im Hobbykeller. Jetzt hat ihn zwar beim Kopf der Anruf in Richtung Jugodisco gezogen, aber bei den Füßen der Schlaf in die Gegenrichtung.
     
    Und da siehst du, dass der Mensch ein bisschen verblödet, wenn er zu sehr gestreckt wird, weil der Brenner hat jetzt, während er die Südtirolerin im rechten Arm und das Telefon in der linken Hand und das Kinderschnarchen am rechten Ohr und die Verzagtheit in den Knochen und den Schlafmittelschlaf in den Adern gehabt hat, nicht verstanden, was der Milan meinen könnte.
    »Was heißt, sie ist bald wieder so weit?«, hat er in den verschwitzten Polster gemurmelt.
    Und der Milan: »Wenn die so weitermacht, wird sie bald wieder schwanger sein.«
     
    »Aha«, hat der Brenner gesagt, während die Aufregung an seinen Haaren gezogen hat und das Schlafmittel an seinen Bleizehen.
    »Aber das macht nichts«, hat der Milan gesagt.
    »Macht es dir nichts, oder macht es ihr nichts?«, hat der Brenner gefragt.
     
    »Es macht nichts, weil in drei Monaten ist sie eh schon über vierzehn«, hat der Milan gesagt, »dann ist es kein Problem mehr mit der Abtreibung.«
    »Stimmt«, hat der Brenner gesagt.
    »Aber sonst wäre es sicher auch kein Problem bei ihren Freunden.«
    Also das war jetzt nicht mehr am Handy. Da hat jetzt doch die Aufregung so fest an ihm gezogen und das Schlafmittel gottseidank nachgegeben, sonst wäre der Brenner ja in der Mitte auseinandergerissen, wie dieses berühmte Kind, wo die beiden Mütter so lange gezogen haben, bis das Kind in zwei Hälften gebrochen ist, und seither gibt es Mann und Frau, sprich den ewigen Streit um das Nachgeben.
     
    Aber der Brenner ist nicht auseinander gebrochen, sondern aufgesprungen und um halb fünf Uhr früh in die Jugodisco gerast, damit er mit dem Mädchen reden kann.
     
    So rasen hätte er aber gar nicht müssen, weil die Sunny hat immer noch getanzt wie aufgezogen. Jetzt ist dem Brenner zuerst einmal nichts anderes übrig geblieben als das, was Männer in einer Disco sowieso am liebsten tun, sprich Biertrinken und Glotzen.
    »Wie heißt sie jetzt wirklich? Wo hast du sie gefunden?«, hat der Brenner gefragt.
     
    Zwei Fragen auf einmal, da hat man immer gleich die dritte Frage am Hals, weil man sich fragen muss, was steckt dahinter, warum hat man zwei Fragen gleichzeitig gestellt. Aber darauf kann ich dir zwei Sachen antworten. Erstens war der Brenner viel zu müde, um sich über solche Polizeischulweisheiten den Kopf zu zerbrechen. Und zweitens ist es noch viel schlimmer geworden, weil jetzt hat auch noch der Milan mit einer Frage geantwortet.
    »Waren Sie schon einmal in Tansania?« »Tansania? Heißt so das Lokal?«
     
    »Nein, so heißt sie. Wenn Sie das »Tan« weglassen.« »Sanja? Warum kannst du das nicht normal sagen? Einfach: Sie heißt Sanja«, hat der Brenner vorgeschlagen. »Wenn ich bei dem Lärm Sanja sage, verstehen Sie Tanja«, hat der Milan ihm ins Ohr gebrüllt. »Aber wenn ich sage: Tansania ohne Tan, verstehen Sie gleich Sanja.«
     
    Der Milan hat dabei so streng und schlau geschaut wie ein Naturheiler, der dich wegen Kaffee- oder Alkohol- oder Lebensgenuss zum Tod verurteilt.
    »Nicht blöd«, hat der Brenner geantwortet. »Und wo hast du sie gefunden?«
     
    »Hier«, hat der Milan gesagt. »Wo?«
     
    »Da!«, hat der Milan gebrüllt und mit dem Zeigefinger vor seine Füße gedeutet. Weil es war jetzt so laut und eine so gute Musik, dass sogar beim Brenner die Ferse ein bisschen zu zucken angefangen hat.
     
    »Da?«, hat der Brenner zurückgebrüllt. »Wie Kanada ohne »Kana«?«
     
    Siehst du, knapp vor der totalen Katastrophe, kurz vor dem Weltuntergang sind die Menschen oft noch einmal für einen Augenblick zu einem Scherz aufgelegt. Aber gut, das mit der Katastrophe und mit dem Weltuntergang hat der Brenner in dem Sinn noch nicht wissen können. An das Nachher hat der Brenner jetzt noch gar nicht gedacht. Sondern an das Vorher, sprich: Ob es nicht doch ein wahnsinniger Fehler gewesen ist, dass er die Helena noch bis zum Morgen in der Obhut

Weitere Kostenlose Bücher