Der Brenner und der liebe Gott
zugelassen. Ob du es glaubst oder nicht, wie die Südtirolerin zu ihm gekommen ist, hat er immer noch nicht Hilfe geschrien, sondern im Gegenteil, er hat sich gesagt, wieso nicht, so jung kommen wir nicht mehr zusammen.
Jetzt kannst du dich bestimmt noch erinnern, wie eines Tages bei den Tennisspielerinnen diese Mode aufgekommen ist, dass sie bei jedem Schlag so kräftig aufgeseufzt haben. Damals hat man gesagt, mein lieber Schwan, wie die Tennisspielerinnen bei jedem Ball jubeln, da kommt doch der anständigste Mensch auf Gedanken. Aber jetzt wieder das mit dem Vorher und Nachher. Weil solche Dinge können sich umdrehen wie die Verzweiflung auf einem Überwachungsvideo, und der Brenner hat jetzt, während die Südtirolerin immer fröhlicher geworden ist, auf einmal an die Fernsehübertragungen vom Damentennis denken müssen. Und während die Südtirolerin immer mehr Freude an ihrem Gast gehabt hat, sind ihm alle möglichen Namen von Tennisspielerinnen aus dem Fernsehen durch den Kopf gegangen, die Tschechinnen waren eine Zeitlang sehr gut, die eine war lesbisch, und eine andere heißt sogar Hantuchova, an die hat er gerade gedacht, an die Hantuchova, wie auf einmal die Tür aufgegangen ist und achtundachtzig Stunden nach ihrem Verschwinden die weinende Helena im Zimmer gestanden ist.
»Ja bischt du aufgewacht, Schatzeie!«, hat die Südtirolerin ganz zärtlich gesagt und sich ihre langen roten Haare aus dem Gesicht gewischt.
Der Brenner hat sich später immer an diesen feinen elektrischen Schlag erinnert, wie sich eine ihrer Haarsträhnen von seinem verschwitzten Hals gelöst hat. Sonst kompletter Geistesstillstand beim Brenner. Natürlich, in so einer Situation, wenn du im Bett liegst und schon geschlafen hast, kannst du leicht in die Hoffnung flüchten, dass du träumst. Aber wie lange? Zwei, drei Sekunden? Danach hat der Brenner noch ein paar Sekunden herausgeschunden, in denen er überlegt hat, ob bei den Tabletten vielleicht nicht nur Alkohol, sondern auch Sexualität verboten ist, und jetzt Nebenwirkungen, sprich Halluzinationen, und er bildet sich ein, dass die kleine Helena weinend in der Tür steht, dass ihr die Tränenbäche über das verzweifelte Gesicht rinnen, während die Südtirolerin sagt: »Ja komm her, Schatzeie. Hascht du schlecht geträumt?«
Und siehst du, das wollte ich sagen. Jetzt sind der Brenner und die Südtirolerin, bevor sie mit dem Geschlechtlichen halbwegs zu einem Ende gekommen sind, wie das glücklichste Ehepaar mit einem Kind im Bett gelegen. Und ob du es glaubst oder nicht, die Helena ist auf der Stelle eingeschlafen, weil der hat es getaugt zwischen der Südtirolerin und dem Herrn Simon. Das kleine Schlafmittel, das ihr die Südtirolerin vor dem Schlafengehen in die Milch getan hat, wird wohl auch noch ein bisschen nachgewirkt haben. Und weil ich gerade Milch sage. Ich weiß nicht, ob es dir aufgefallen ist, aber der Brenner hat es sich wahnsinnig vorgeworfen, dass er das übersehen hat. Dass ihm die Südtirolerin ausdrücklich erklärt hat, sie trinkt keine Milch, sie kann sie nicht verdauen, sie hat das Enzym nicht, und was hat sie gekauft, wie er sie zum ersten Mal auf der Tankstelle getroffen hat: einen Liter Milch! Gedanken gemacht hat er sich über die Zeitung, die sie gekauft, aber nicht gelesen hat. Aber die Milch hat er einfach so durchgehen lassen. Und da sieht man wieder einmal, wie knapp es oft hergeht im Leben, du schaust auf die Zeitung, aber in der Milch wäre die interessante Nachricht gewesen.
»Jetzt weißt du es also, dass ich sie mitgenommen hab«, hat sie leise gesagt. »Weil du sie stundenlang im Auto sitzen gelassen hascht. Bei der Hitze! Wenn du das mit einem Hund machst, hascht du nach einer Minute eine Anzeige und einen Volksaufstand dazu.«
Dem Brenner hat vor Erleichterung das Herz so geschlagen, dass er gar nicht richtig gehört hat, was die Südtirolerin da redet. Ihn hat nur gewundert, dass die Helena ein paar Zentimeter von seiner Brust entfernt schlafen kann, obwohl sein Herz geschlagen hat, als wäre seine Brust ein Dinosaurier-Ei, und der Kleine will ausgerechnet jetzt aus seiner Brust schlüpfen und das Licht der Welt erblicken.
Aber das Klopfen war so laut und rhythmisch, das kann kein noch so musikalischer Dinosaurier sein, hat der Brenner überlegt. Angehört hat es sich eher, als hätte er den Schlagzeuger vom Jimi Hendrix verschluckt, den Mitch Mitchell, und der spielt zu Ehren der rothaarigen Frau im Bett
Foxy
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