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Der Brenner und der liebe Gott

Der Brenner und der liebe Gott

Titel: Der Brenner und der liebe Gott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Haas
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einem parkenden Auto zu hören war. »Dafür ist jetzt keine Zeit mehr. Beeil dich einfach mit ihm, dann kannst du hinauskommen in die frische Luft«, hat er gesagt und die beiden im Stall zurückgelassen. Der Stinker hat beleidigt geschaut und sich sein weißes Plastikpfeifchen in den Mund gesteckt. Und ausgerechnet dieses blöde Röhrchen hat dem Brenner jetzt eine Heidenangst eingejagt. Weil eine Verhörzigarette, das wäre die Normalität gewesen. Zigarette anbieten, Rauch ins Gesicht, zweimal brennen und so weiter, alles bekannte Gemeinheiten, aber das Abgewöhn-Röhrchen hat dem Schläger so eine menschliche Note gegeben. Und menschliche Note immer lebensbedrohlich.
     
    »Weißt du eigentlich, dass jahrzehntelanges Rauchen die Spermienqualität mindert?«, hat der Brenner gesagt. Weil er hat sich so schwach gefühlt, dass er geglaubt hat, er muss es unbedingt überspielen.
     
    Das hat der Baustellenbewacher auf seine Art beantwortet, sprich mit dem Versuch, die Spermienqualität vom Brenner endgültig zu ruinieren. Aber viel Luft hat der arme Wachhund wirklich nicht mehr gehabt, weil nach dem Tritt ist ihm der Schweiß auf die Stirn getreten, als hätte es ihm mehr wehgetan als dem Brenner, und erst nachdem er ein paar Mal an seinem Röhrchen gesogen hat, war er so weit. Er hat dem Brenner seine Gangstersprüche aufgesagt, dass er es sich aussuchen kann, schnell oder langsam, sanft oder unsanft, ganz wie er möchte, aber jedenfalls, was ihn interessieren würde: »Wo ist die Helene?«
     
    Ein bisschen komisch hat das schon ausgesehen, der Baustellenwächter muskulös wie ein Ochse, keine Haare auf dem Kopf und dafür fünfundzwanzig Tätowierungen auf seinem breiten Hals, aber am Nikotinpfeifehen hat er gesogen wie ein Säugling. Nur im Nachhinein muss man sagen, es hat schon auch etwas Tragisches, wenn sich einer in den letzten Lebensstunden noch damit quält, sich das Rauchen abzugewöhnen.
    »Was ist, Herr Simon? Hat's dir die Sprache verschlagen? Wo habt ihr die Helene?«
     
    Dem Brenner ist aufgefallen, dass er den Namen genauso falsch betont hat wie die Südtirolerin ihre Marlbooro. Und ob du es glaubst oder nicht, das hat ihn an das einzige Buch erinnert, das es bei seinen Großeltern gegeben hat, oder besser gesagt, an eine Geschichte in dem zehn Zentimeter dicken Wilhelm Busch, sprich
Die fromme Helene.
So hat der tätowierte Ochse den Namen ausgesprochen, wie die fromme Helene. Nein, stimmt nicht, zwei Bücher haben seine Großeltern gehabt, den Wilhelm Busch und
Der Hausarzt.
Und in beiden sehr gute Bilder! Aber ab einem gewissen Alter, wo er den
Hausarzt
in seinem Versteck gefunden hat, ist ihm die
fromme Helene
langweilig geworden, und nur mehr
Hausarzt,
frage nicht.
    Der Brenner hat jetzt den Vorarbeiter aber nicht dafür kritisiert, dass er die Helena wie die fromme Helene ausgesprochen hat. Er hat getan, als würde es ihn nicht stören, weil wer die Pistole hat, entscheidet über die Geschmacksfragen, das ist auf der ganzen Welt so. Stattdessen hat der Brenner geantwortet: »Ihr wisst genau, dass ich der Erste bin, der wissen möchte, wo das Mädchen ist.«
    »Du bist der Erste, der das wissen möchte? Noch vor den Eltern, oder wie? Bist du hier der Leidtragende oder was?«
    »Nein. Der Erste außer den Eltern natürlich.«
    Ja, siehst du, da war der Baustellenochse doch zu blöd dazu, weil sonst hätte er vielleicht aus diesem schnellen Kleinbeigeben erkennen können, dass der Brenner lügt. Aber gut, Analyse war sowieso nicht seine Aufgabe. Er war nur für die Fragen zuständig. Für die Analyse waren natürlich die Herren hinter der Scheibe da. Du darfst das Babytelefon nicht vergessen, das der Kressdorf manchmal zur Freude vom Bankdirektor Reinhard aufgedreht hat. Das hat ja dem Reinhard immer so gefallen, dass sie das Geplapper der Mädchen herübergehört haben, quasi Hintergrundmusik, während er mit dem Obersenatsrat den Ernst des Lebens ausverhandelt hat. Jetzt hat der Brenner natürlich auch nur an die Herren hinter der Scheibe gedacht, während der tätowierte Ochse die nächste Frage aus seinem Röhrchen gesaugt hat. »Wenn du schon nicht sagen willst, wo die Helene ist -«
     
    »Helena«, hat der Brenner ihn jetzt doch unterbrochen, »sie heißt Helena, und ich weiß nicht, wo sie ist.«
     
    »- dann verrätst du uns vielleicht, wo dein Freund Knoll ist.«
     
    Jetzt natürlich. Der Knoll. Das war der erste Moment, wo der Brenner eine Chance gesehen hat, dass er vielleicht

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