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Der Brenner und der liebe Gott

Der Brenner und der liebe Gott

Titel: Der Brenner und der liebe Gott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Haas
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Guten gebeten, ihnen zu sagen, wo er das Video hat, das der Knoll ihm gegeben hat. Dem Brenner ist nichts Besseres eingefallen, als den Knoll lautstark für die Lüge zu verfluchen, dass er ein Video bei ihm hinterlegt hat. Genützt hat ihm das natürlich nichts. Er hat das Sunny-Foto vom Knoll gehabt, also haben sie ihm auch nicht geglaubt, dass er keine Ahnung hat, was für ein Video sie überhaupt meinen. Da gibt es ja tausend Möglichkeiten, vom Kinderporno bis zum zum zum. Es gibt ja nichts, was es nicht gibt auf der Welt. Ich sage sogar, das ist der größte Fehler an unserer Welt, dass es nicht wenigstens ein paar Dinge gibt, die es nicht gibt. Weil Nichtdinge und Nichtmenschen meistens weitaus sympathischer als die, die sich mit spitzen Ellenbogen in die Welt gedrängt haben. Oder wenn du dir anschaust:
    Nichtideen! Dann Nichtmeinungen, Nichtgefühle, Nichtliebe, Nichtgespräche, Nichtgedanken! Da sage ich sofort zu allen, hereinspaziert, meine Tür ist weit offen für euch!
     
    Schwierig wird es immer mit den Existenzen. Da fangen die Probleme an. Und aufhören tut es mit Menschen, die einen anderen in die Scheiße tauchen. Wegen einem Video! Und der Brenner keine Ahnung, was auf dem Video überhaupt drauf war. Aber bevor du jetzt auch noch anfängst und Gedanken zum Existieren bringst, quasi: vielleicht der Reinhard mit der Ziege oder der Obersenatsrat Stachl mit dem Hasen, sag ich dir gleich: alles falsch. Da liegst du komplett daneben. Und der Brenner hat es auch nicht erraten, was auf dem Video oben war.
    »Weiter!«, hat der Kressdorf Richtung Holzbalkon gerufen.
     
    Der Stachl hat nichts gesagt, er hat nur den Brenner angeglotzt, als wäre er ihm wahnsinnig böse dafür, dass er ihn da hineingezogen hat. Und der Brenner hat zurückgestarrt, als würde er es gar nicht spüren, dass ihm die Soße gerade in die Schuhe sickert.
     
    Vom Bankdirektor Reinhard war immer noch nichts zu sehen. Ein Reinhard lässt sich von so einem kleinen Zwischenfall nicht aus dem Domizil oder gar aus seinem Refugium hervorlocken. Mit den Kleinigkeiten wollte der gar nicht behelligt werden. Da hat er gesagt, der Stachl und der Kressdorf machen das schon. Und du darfst eines nicht vergessen. Den guten Chef macht es gerade aus, dass er delegieren kann. Der hätte vielleicht sogar Lust, jeden Einzelnen, der es verdient hat, persönlich in die Scheiße zu tunken, aber er muss es seinem Mitarbeiter überlassen, damit der motiviert ist. Und der Untere muss es auch wieder an den Nächstunteren delegieren, und da kannst du nicht als Kressdorf oder als Stachl selber den Brenner abseilen, wenn deine Muskelmänner schon seit Monaten darauf warten, dass sie eine Unterhaltung haben.
    Für den Bankdirektor war nur die Effizienz wichtig.
    Und in dem Sinn hat der sich hervorragende Leute geholt. Wo man sogar sagen muss, für ein Hundertmillionenprojekt sind zwei Tote gar nicht so viel. Oder meinetwegen drei Tote, wenn man den Mann der Kindergärtnerin auch noch mitzählt. Und für den haben sie wirklich nichts gekonnt, den hätte man eher noch der Südtirolerin anlasten müssen. Im Grunde war der Knoll auch selber schuld. Und der Milan mit seinem übertriebenen Eifer sowieso. Aber sogar wenn man ihnen die alle anrechnet, muss man sagen, für hundert Millionen Euro hat es auf der Welt schon viel mehr Tote gegeben, das ist sogar rein rechnerisch schon auf der humanen Seite.
     
    Oder vier Tote, wenn man jetzt sagen würde, der Brenner auch auf dem besten Weg. Er selber hätte in diesem Moment, wo es ihn schon in den Kniekehlen gekitzelt hat, jedenfalls keine hohen Summen mehr auf sein Leben gesetzt. Und ich ehrlich gesagt auch nicht. Weil er hat ja überhaupt keine Ahnung gehabt, dass der Knoll bei seiner Videoüberwachung etwas ganz anderes gefunden hat, als er gesucht hat. Darum sage ich ja immer, der Mensch findet meistens etwas anderes, als er sucht. Jetzt was hat der Knoll gefunden auf seinen Überwachungsvideos? Pass auf, ich sag nur so viel. Die Klinik hätte er damit nicht zu Fall bringen können. Aber dafür das ganze
Riesenland.
    Im Nachhinein hat man das alles langsam erfahren, oder ehrlich gesagt, alles auch nicht, sonst würde Wien heute anders aussehen, frage nicht. Aber du darfst eines nicht vergessen. Der Brenner ist jetzt nicht im Nachhinein gewesen. Noch nicht! Weil das liegt in der Natur des Menschen, dass er nie im Nachhinein ist, außer wenn es zu spät ist. Er hat sich zwar schon bei den Mücken befunden, er ist von den

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