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Der Brenner und der liebe Gott

Der Brenner und der liebe Gott

Titel: Der Brenner und der liebe Gott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Haas
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»Gibt es dich also doch!«
    Ich muss ganz ehrlich sagen, da ist neben der positiven Überraschung sogar ein kleiner Vorwurf in der Stimme vom Brenner mitgeschwungen. »Wenn ich das in meiner Jugend gewusst hätte«, hat er zum lieben Gott gesagt, »da hätte ich die Frauen reihenweise!« Aber dann war es ihm gar nicht mehr wichtig, den Satz zu Ende zu sprechen, und er hat sich gedacht, Schwamm drüber, Hauptsache, ich habe auch so nichts anbrennen lassen. Nur schade, dass ich jetzt keinem mehr erzählen kann, wie sympathisch der ist!
    Aber »schade« und »Vorwurf« und »Hauptsache«, das ganze »leider« und »gottseidank« hat für den Brenner im Grunde gar nichts Richtiges mehr geheißen. Du musst wissen, wenn du beim lieben Gott am Schoß sitzt, gehen dir irdische Sachen vollkommen am Arsch vorbei. Die
Riesenland-Zwerge
oben waren ihm schon so was von egal, nicht einmal böse war er ihnen, weil mit dem lieben Gott super Ebene gehabt.
     
    Böse war er ihnen nur dafür, dass sie ihn in letzter Sekunde wieder hinaufgezogen haben. Und wie dann sein Verstand wieder angesprungen ist, hat der sofort wieder mit seinen Erklärungen angefangen, sprich: Das Licht, das der Brenner gesehen hat, war nur das Tageslicht, in das er wieder hinaufgezogen worden ist. Sein gutes Gefühl ist nur vom angenehmen Aufwärtsschweben ausgelöst worden. Und das rasende Näherkommen von seinem lieben Gott muss durch die Begegnung mit dem Obersenatsrat Stachl ausgelöst worden sein, der, gerade wie der Brenner wieder ans Licht gekommen ist, an ihm vorbei in die Senkgrube geflogen ist.
     

20
     
    So schnell geht es im Leben. Gerade ist der Obersenatsrat Stachl noch oben gestanden bei den Leuten, die vom Brenner unbedingt wissen wollten, wo er das Video hat, und jetzt ist er selber in der Senkgrube gelegen, und der Brenner war oben. Zum Glück war für den Kressdorf die Information, dass der Brenner die Helena hat, doch interessanter als das Millionenprojekt. Weil die Vatergefühle.
    Und wie der Obersenatsrat Stachl den Brenner nicht mehr heraufholen wollte, hat der Kressdorf sein Jagdgewehr aus dem Haus geholt und es dem Obersenatsrat mit so einer Wucht über den Hinterkopf gezogen, dass sie später bei der Obduktion festgestellt haben, der Stachl ist gar nicht in der Senkgrube ertrunken, sondern dort schon mit einem gebrochenen Genick angekommen. Und da sieht man wieder einmal, wie recht das Sprichwort hat. Übung macht den Meister, da kann man sagen, was man will. Weil beim Knoll haben sie festgestellt, dass der Kressdorf ihn mit dem Gewehrkolben nur niedergeschlagen hat, und verstorben ist der erst in der Senkgrube.
    Aber nicht dass du glaubst, die beiden Muskelmänner haben dem Kressdorf so ohne weiteres gehorcht und den Brenner noch einmal heraufgezogen. Im Gegenteil. Denen ist es viel zu viel geworden, wie der Kressdorf ausgerastet und auf den Obersenatsrat losgegangen ist. Die haben natürlich sofort gemerkt, dass sie sich auf den Kressdorf nicht mehr verlassen können. Und auf ihren Anteil am
Riesenland
schon gar nicht, wenn er das Projekt in Gefahr bringt. Pass auf, mit vorgehaltenem Jagdgewehr hat er sie zwingen müssen, dass sie den Brenner wieder heraufholen und neben der Senkgrube von seinen Fesseln befreien.
    Ich habe seither viel darüber nachgedacht, und ich könnte mir durchaus vorstellen, dass der Kressdorf gerade deshalb so rabiat durchgegriffen hat, weil er seit zwei Tagen gewusst hat, dass die Helena nicht seine leibliche Tochter ist. Jetzt hat er die einmalige Chance gesehen, sich mit Gewalt wieder zum Vater zu machen, indem er den Samenspender beseitigt und die Helena rettet. Und du darfst eines nicht vergessen. Nachdem er den Knoll erschlagen hat, wie der ihm unter die Nase gerieben hat, dass er nicht einmal der Vater seiner Tochter ist, wäre es für den Kressdorf sinnlos gewesen, auf halbem Weg stehen zu bleiben.
    Der Brenner hat an diese Dinge jetzt natürlich noch keinen Gedanken verschwendet. Er hat zuerst gar nicht mitgekriegt, dass er wieder oben ist. Er ist ja nicht einmal richtig zur Besinnung gekommen, wie der Schuss geknallt hat. Und du darfst eines nicht vergessen: Jagdgewehr immer lauter Schuss. Das soll jetzt aber nicht heißen, dass der Kressdorf mit dem Jagdgewehr in die Luft geschossen hat, um den Brenner zur Besinnung zu bringen, quasi Tote aufwecken. Sondern im Gegenteil. Der Kressdorf hat seinem Sicherheitschef, der den Brenner nicht wiederbeleben wollte, das Rauchen endgültig abgewöhnt, sprich

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