Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld
zusammen aus Ihrem Anteil an der Wiener Erstaufführungssumme, die DM 30.000.— beträgt (Ihr Anteil also DM 22.000.—), und der vereinbarten Vorauszahlung auf den Roman »Korrektur«. Sie wissen, daß wir bei den Zahlungen Vorleistungen erbringen. Die Burg überweist uns erst ein Drittel des Betrages; das zweite Drittel bei Beginn der Proben und das dritte Drittel am Tage der Aufführung. Die Zahlung der DM 20.000.— für den Roman »Korrektur« haben wir an sich in unserer Vereinbarung für den Tag der Ablieferung des Manuskripts ausgemacht, aber ich habe Ihr Wort, daß sich diese Ablieferung nicht verzögert und daß wir das Manuskript, wie vorgesehen, noch in diesem Monat erhalten. Diese Zahlungen, lieber Thomas Bernhard, dienen zu Ihrer Beruhigung, zur Sicherung einer Existenzbasis, auf der Sie in der Ihnen eigenen großen Intensität arbeiten können.
Durch unsere laufenden monatlichen Zahlungen und nun wieder durch diese beiden Zahlungen bestätigen wir noch einmal die Bedingungen unserer Verträge und jene spezifisch definierten Modifikationen, die wir für die »Jagdgesellschaft« und für »Korrektur« in meinem Brief vom 5. Dezember 1972 getroffen haben. Sie haben in Ihrem Brief vom 15. 12. diese Bedingungen abstrichlos gutgeheißen.
Ich bestätige Ihnen noch einmal, daß die »Jagdgesellschaft« in der Bibliothek Suhrkamp erscheinen wird. Wir haben als Nummer 376 festgelegt. Der Erscheinungstermin richtet sich nach dem Datum der ersten Aufführung.
Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie auf meine verschiedenen Briefe, die bei Ihnen liegen, eingehen und mir schreiben würden.
Ich hoffe, daß wir diese sachlichen Dinge dann damit geklärt haben und daß damit die Möglichkeit frei ist für ein unknirschendes, freies, produktives, die Zukunft einschließendes Gespräch.
Schöne Grüße
Ihr
[Siegfried Unseld]
[235]
Ohlsdorf
21. 3. 73
Lieber Siegfried Unseld,
Sie selbst lieben die Kürze, keine langen Erklärungen, darum auch nichts darüber, warum ich längere Zeit keinen Ihrer kurzen Briefe beantwortet habe; die Tatsache als solche ist in jedem Fall die einzige Erklärung für alles.
Die wichtigen Punkte:
1. »Die Jagdgesellschaft« wird zuerst in Wien gespielt, in Deutschland zuerst am Schillertheater. Dann denke ich nurmehr noch an Hamburg, wo die Intendanz schwachköpfig und an München, wo sie garantiert stumpfsinnig ist. Über die Spielwilligkeit anderer, kleinerer Theater, was einfach doch kleinere Schauspieler bedeutet, bitte ich, mit mir zu sprechen. Sie selbst wissen, dass es keinen Sinn hat, Kinder in allen Häusern abzulegen, wo sie verkommen.
Was die finanzielle Seite in Bezug auf die Theater betrifft, so habe ich weder Lust noch die dazu nötige Dummheit, für tausendzweihundert Mark (»Boris«) »ein Hamburger Schauspielhaus über Jahre zu prägen« (Nagel), noch »eine jahrelange Theatermisere zu beenden« (»Süddeutsche Zeitung«, München betreffend) um 500 Mark. Eine Schweizerische Erstaufführung für 600 Mark spare ich mir als Ohrfeige, ebenso den Steirischen Herbst für 550. 1 Diese Dinge müssen nocheinmal ausgesprochen werden. Der Geldgierige bin nicht ich. Die Verbrecher sind eindeutig die (Staats-) Theater. Die Höhe der Schuld der Verleger, ihren Anteil an diesen Verbrechen, können Sie selbst bestimmen.
2. habe ich den Roman fertig, aber ich fahre Anfang April auf drei oder vier Wochen nach Jugoslawien, Fortsetzung einer zwanzigjährigen Tradition, wie Sie wissen, und nehme das Manuskript mit. So am Fenster vor einer weissen Wand mit dem Meer im Rücken, kann ich dann noch ein paar Beistriche streichen oder den sechsten Finger eines Philosophischen abschneiden. Der Kopf darf eben nicht zu kurz kommen.
3. habe ich auch »Erinnern« dann mit und im Augenblick bin ich damit beschäftigt, ein paar Sätze darüber für Ihren Prospekt zusammenzudenken. (Denken aus allen Richtungen auf einen Punkt, der der Treffpunkt ist.) Dazu ist zu sagen, dass mir die Idee gefällt, »Erinnern« in Ihrer Bibliothek erscheinen zu lassen, wie auch die »Jagdgesellschaft«. Punkt
4. ist ein recht heikler Punkt: soviele Bücher, die ich aufmache, beweisen mir, wieviele Schriftsteller meine Prosa gelesen haben. Andauernd kommen [[mir]] lauter Enkel und mit diesen Enkeln verwandte Enkel meiner Figuren auf mich zu. Wirkung ist letztenendes etwas Furchtbares. Im Augenblick ist es noch nicht so weit, dass, wenn ein Theatervorhang aufgeht, mir meine Figuren
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