Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld
Ganz widmen, diese Widmung ist eine Art Belastung für jeden anderen Schauspieler; diese sind, wie Sie ja wissen, empfindlich, ja, am empfindlichsten. Sie können ja ein Exemplar handschriftlich Bruno Ganz widmen, ja, ihm dann sagen, daß Sie für ihn oder auf ihn hin das Stück geschrieben haben. Das wird ihm Genüge tun und wird der Sache nicht schaden.
DM 20.000.— sind überwiesen. Wir verrechneten DM 15.000.— a conto der Tantiemen für die »Jagdgesellschaft«; DM 5.000.— abermals zu den Honoraren für die »Korrektur«.
Wir haben, was die Publikationen betrifft, folgende Manuskriptablieferungs- und Erscheinungstermine vereinbart:
»Korrektur«: Manuskript spätestens 31. 10. 1973, Erscheinungstermin 3. (am 2. ist Sonntag) April 1974.
»Erinnern«: Manuskript spätestens 15. 3. 1974, Erscheinungstermin September 74.
»Jagdgesellschaft«: Erscheinungstermin zur ersten Uraufführung, mutmaßlich Februar 74.
»Reader Thomas Bernhard«: Erscheinungstermin September 1974. Wir werden Anfang des Jahres 74 gemeinsam das Manuskript erarbeiten.
Wir werden innerhalb des Verlages eine andere Organisation schaffen; Sie werden von einer Stelle aus die Sendungen erhalten, vielleicht weniger als bisher, dafür aber dann hoffentlich konzentrierter.
Wegen der »Stern«-Fahrt gebe ich Ihnen im Laufe der nächsten Woche Nachricht.
In einem weiteren wesentlichen, ja wesentlichsten Punkt bestätige ich handschriftlich das Besprochene. Hierbei ist wesentlich, daß Herr K. zu größtem Stillschweigen verpflichtet wird. 3
Das wäre nach meinem Wissen und Gewissen das Gesagte, das, was zwischen unseren Worten stand, zu beschreiben, fehlt mir das Wortvermögen, doch vielleicht schreiben Sie das.
Sehr herzlich
und in guter Hoffnung
Ihr
[Siegfried Unseld]
|P. S.: Von Ihrem neuen Stück-Plan – der mich sehr faszinierte – sollen nur Sie, K. und ich wissen. Ich bin sicher, Sie werden es schaffen!
Im Oktober liefern Sie das Manuskript an K. Bibliothek Suhrkamp zur Aufführung im Juli 1975. – Sie verhandeln, wir schließen Vertrag mit K. (womöglich DM 10.000.— mehr!)
Ich spinne meine Idee eines Suhrkamp-Tournee-Theaters mit diesem Ihrem Stück als Hochpunkt weiter. Wichtig ist jetzt: wir haben eine klare, überschaubare Zukunftsperspektive.
Das Zukünftige ist das Wichtige.
Herzlich
Ihr
Siegfried Unseld|
1 S. U. hält das Salzburger Treffen am 29. April in seinem Reisebericht Salzburg, Sonntag, 29. April 1973 fest:
»Grund und Motiv für diese Salzburger Begegnung war Thomas Bernhards Brief an mich vom 12. April. Aus Anlaß der ›hundsgemeinen Hinschlachtung eines meiner Theaterstücke‹ an den Münchner Kammerspielen wollte Thomas Bernhard einen ›Endpunkt‹ seiner Beziehung zum Verlag setzen. Das mehrstündige Gespräch klärte die Positionen. Ich mußte manche Punkte seiner ›Anklage‹ akzeptieren, ebenso viele lehnte ich entschieden und in der Sache auch sehr hart ab. Ich glaube, daß dieses Gespräch als ein Anfangspunkt einer geänderten Fortsetzung unserer Beziehung gelten kann, wobei ich mir im klaren bin, daß in Thomas Bernhard Sensibilität, Empfindlichkeit, Neurose eine Spitze erreicht haben, der auf die Dauer zu begegnen nicht leicht sein wird. Kurz bevor ich ihn traf, las ich in der Wochenendausgabe der ›Süddeutschen Zeitung‹ den Aufsatz von Joachim Kaiser, in dem er erwähnt, daß Thomas Bernhard die Geisteskrankheit als Zeichen modernen Bewußtseins ›für Literatur entdeckt‹ habe [Joachim Kaiser: Der Einzelne — und das »Haus mit Telephonen«. Zwischen billigem Heroenkult und wohlfeilem Gerede von der Personalisierung , in: Süddeutsche Zeitung , 28. /29. April 1973]. Ich entdeckte meinerseits, nicht ohne Bewunderung, wie es Bernhard gelingt, seine Neurose beim Schreiben und beim materiellen Einsatz für sein Werk zu neutralisieren; der Preis dafür ist hoch; und auch wir müssen einen Teil daran bezahlen – und dies im wörtlichen Sinn.
Ich halte hier in Stichworten die Ergebnisse fest:
1. Arbeit mit seinen Stücken . Hier tritt eine grundlegende Änderung ein. Auf Wunsch von Thomas Bernhard sollen von der ›Jagdgesellschaft‹ nur Spitzenaufführungen stattfinden. Dies werden wir nach Abklärung der laufenden Verhandlungen auch der Öffentlichkeit bekanntgeben. Fest stehen die Aufführungen in Wien und Berlin. Bei beiden Bühnen führt Bernhard weiter die Verhandlungen. Von einer Verhandlung mit Basel weiß Thomas Bernhard nichts. Ich würde
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