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Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld

Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld

Titel: Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimund Fellinger
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ich dieses noch nicht fertige neue Manuskript lesen. Er teilt ein wenig die Welt auch ein nach dem Prinzip: wer nicht für mich ist, ist gegen mich, doch hat er aber auch hier sehr gesunde Ansichten, so sagte er im Hinblick auf Peymann, wenn dieser sich jetzt rasch ärgere, so sei der Ärger auch rasch verflogen. Je eher also, je besser.«

[258; Telegramm]
     
    Wolfsegg
    29. 8. 73
    nozkaut gestern hier salzburg perfekt regie dorn bild minks vertrakdogst herzlieaifo
    bernhard

[259; Anschrift: Ohlsdorf]
     
    Frankfurt am Main
    29. August 1973
    Lieber Herr Bernhard,
    mit der Ortsangabe »Wolfsegg« kam ein eher verstümmeltes Telegramm hier an. Die Verabredung mit Herrn Kaut sei perfekt, Regie Dorn, Bild Minks, danach war aber alles verstümmelt.
    Die wichtigste Frage: haben Sie mit Kaut über eine Tantiemenpauschale gesprochen? Fiel der Betrag von DM 40.000.—, oder soll ich versuchen, ihn noch höher anzusetzen? Bitte, schreiben Sie mir, rufen Sie mich an, oder schicken Sie mir ein Telegramm. Ich setze mich danach sofort mit ihm in Verbindung. 1
    Ich nehme Ihre Absage für eine Frankfurter Lesung während der Buchmesse also definitiv, doch in einem Punkt möchte ich insistent bleiben: es wäre eine optimale Angelegenheit, wenn wir zu Weihnachten ausgesuchten Buchhändlern und einem ganz kleinen Kreis sicherer Bernhard-Freunde unter den Rezensenten die »Korrektur« als Vorexemplar übergeben könnten. Um das möglich zu machen, brauchen wir bis zum 15. September den Text. Geht das? 2
    Schöne Grüße
    Ihr
    [Siegfried Unseld]
    1   Am 29. August schreibt Josef Kaut an den Suhrkamp Verlag: »Gestern hatte ich ein ausführliches Gespräch mit Herrn Thomas Bernhard, das die Uraufführung seiner Komödie ›Die Macht der Gewohnheit‹ bei den Salzburger Festspielen betraf. Herr Bernhard hat erklärt, daß er bei diesem Stück an das Salzburger Landestheater und die Salzburger Festspiele gedacht habe und daß es sein größter Wunsch ist, daß dieses neue Werk bei uns aufgeführt wird.« S. U. antwortet unter dem Datum des 31. August: »Auch ich bin wie Sie erfreut, daß Thomas Bernhard die Uraufführung seiner Komödie ›Die Macht der Gewohnheit‹ den Salzburger Festspielen anvertrauen möchte. Sie haben sicherlich gelesen, daß in der Kritikerumfrage von ›Theater heute‹ ›Der Ignorant und der Wahnsinnige‹ als das ›wichtigste Stück der Spielzeit 72/73 bewertet wurde. [. . .] Gerne schließen wir mit Ihnen einen Vertrag über die Aufführung. [. . .] Nun zu der anderen Frage im Zusammenhang dieses Stückes. Ich gehe davon aus, daß Thomas Bernhard Sie über unser Vorhaben, das Stück in der Regie und Besetzung der Salzburger Festspiele im Anschluß an die Aufführungen in Salzburg auf Tournee gehen zu lassen, informiert hat. Müssen wir darüber nicht bald ein detailliertes Gespräch führen, da das Engagement der Schauspieler durch diesen Plan ja deutlich beeinflußt wird?«
    2   Die Verlagskopie des Briefs trägt über der Anschrift den handschriftlichen Vermerk »Eilboten«.

[260; Anschrift: 〈Ohlsdorf〉]
     
    Frankfurt am Main
    31. August 1973
    Lieber Thomas Bernhard,
    ich wurde gebeten, mich öffentlich zur Frage der Rechtschreibreform zu äußern; die westdeutschen Kultusminister denken ja an eine generelle Einführung der Kleinschreibung bei der deutschen Sprache. Wie beurteilen Sie diese Änderung? Bei mir wehrt sich alles gegen die Kleinschreibung. Das ideologische Moment, die Erlernung der deutschen Sprache sei für Wenigerprivilegierte dadurch leichter, kann ich nicht gelten lassen. Zur Aufklärung gehört eben doch ein Maß einer Bemühung, wenn nicht schon die Anstrengung, das groß zu schreiben, was als Substantiv gedacht ist.
    Mich würde Ihre Meinung zu dieser Frage interessieren. Etwa die Beantwortung der Fragen:
    a)   Sehen Sie in einer generellen Kleinschreibung einen Fortschritt in der Demokratisierung gesellschaftlicher Verhältnisse?
    b)   Könnten Sie sich vorstellen, unsere Klassiker in neuen Editionen mit kleingeschriebener Schrift lesen zu können, Goethe und Marx in Kleinschreibung also?
    c)   Würden Sie sich selbst im Falle des Beschlusses der Kultusministerkonferenz dazu motivieren lassen, in Zukunft nur noch kleine Buchstaben zu verwenden?
    d)   Könnten Sie sich in der Reform einen Kompromiß vorstellen: es werden außer den Namen alle klar erkennbaren Substantive und substantivierten Verben groß geschrieben, alle Zweifelsfälle jedoch klein. Als

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