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Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld

Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld

Titel: Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimund Fellinger
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›Jagdgesellschaft‹ doch noch 1973 aufzuführen.
Was die Publikation betrifft, so hatte Bernhard auch hier wieder dezidierte Meinungen, wie ja überhaupt: er denkt an nichts anderes als an sein Werk, Tag und Nacht, und dies ausschließlich. Er weiß genau, was er will, und versucht dies durchzusetzen. Und seiner Umwelt seinen Willen aufzuzwingen.
Er möchte natürlich auch, daß das neue Stück im Rahmen der BS herausgegeben wird. Ich hielt ihm entgegen, daß drei Titel in einem Jahr in der BS einfach zuviel seien, und außerdem wolle er ja das neue Stück ohnehin nur als eine ›österreichische‹ Theaterangelegenheit sehen, denn es war ja seine Idee, dieses Stück für die deutschen Theater nicht freizugeben, jedoch für eine Theater-Tournee, die sich an die Festspiele anschließen könne. Doch er bat dringlich um Aufnahme auch dieses Stückes in die BS.
1974 werden also folgende Titel von Bernhard in der ›Bibliothek Suhrkamp‹ als Erst-Ausgaben erscheinen:
im April: ›Die Jagdgesellschaft‹
im Juli: Das neue Stück
im September: ›Erinnern I‹
Weil ich ihm diese Zusage nun machte, erzwang ich gewissermaßen auch eine frühere Herausgabe des Manuskripts von ›Korrektur‹. Er will uns das Manuskript so rechtzeitig geben, daß wir unverzüglich den Satz unternehmen, die Bogen im Dezember drucken und Ende des Jahres Vorab-Exemplare an ausgewählte Buchhändler und ausgewählte Kritiker verschicken können. Erscheinungstermin dann Mitte März 1974. Dieser Bitte stimmte er zu.
Wir überlegten uns dann auch sein Auftreten zur Buchmesse. Zunächst hat er es verworfen, dann aber wollte er sich’s doch überlegen, evtl. gemeinsam mit Uwe Johnson [der dritte Band der Jahrestage erscheint im Oktober 1973] aufzutreten, aber schließlich sagte er das ab.
Ich fuhr am nächsten Morgen früh nach Salzburg, um ein Treffen mit Strehler auszumachen, denn mit ihm wollte ich eine evtl. Inszenierung des Bernhard-Stückes besprechen. Ich sollte Strehler dann um 11.30 h treffen. Pünktlich um 10.30 h traf ich Bernhard im Café Tomaselli. Noch einmal eine Rekapitulation des Für und Wider, schließlich meinten wir, daß doch mehr für den 1974er Termin spräche. Mit Strehler konnte ich ihm keine Hoffnung machen, weil ich ja wußte, daß er im Jahre 1974 die ›Zauberflöte‹ inszenieren müsse und wolle.
Über das Gespräch mit Kaut berichtete mir Bernhard dann am Telefon einen Tag später. Es sei alles nach Wunsch verlaufen, d. h., Kaut wolle seine Wünsche erfüllen. Nach dem Essen mußte er sich wegen einer Schwäche hinlegen, er hätte Fieberzustände gehabt, und in solcher Exaltation sei ihm der Titel des Stückes eingefallen: ›Macht der Gewohnheit‹. In der Tat, ein ausgezeichneter Titel, der auch sofort plausibel ist, ja, man meint, es müsse ihn schon gegeben haben, aber es gibt nur die ›Macht der Finsternis‹. Mit Kaut wurden dann mögliche Darsteller diskutiert. Kaut schlug offenbar drei Namen vor, die Bernhard sehr angenehm waren: Leopold Rudolf, Otto Schenk und Bruno Dallansky, Regie (zu meiner Überraschung nun doch) Hans Hollmann.
Bernhard wird das Stück Ende Dezember abliefern, ich weiß aber, daß er es schon Ende Oktober fertig haben will. Die Tatsache der Aufführung dieses Stückes mit dem Titel wird Kaut Ende August bekanntgeben.
Nun überließ es Bernhard mir, mit Kaut Gespräche zu führen
a) um die Honorierung (er verlangt gegenüber den DM 30.000.— von 1972 einen Betrag von DM 40.000.—) und
b) soll die Frage der Tournee geregelt werden. Das in der Tat hätte Thomas Bernhard sehr gerne gesehen: keine deutsche Aufführung, dafür aber eine größtmögliche Aufführungsdichte des Tournee-Unternehmens.
Am Telefon erzählte mir Bernhard auch etwas verwirrt, daß auf ihn eben ein Anschlag verübt worden sei, jemand wolle sein Leben bedrohen.
Solchen Spannungen ist dieses Dasein Thomas Bernhard ausgesetzt, es ist ein dauerndes Alles oder Nichts, es ist die Rücksichtslosigkeit selbst, wenn es um das Durchsetzen seiner Sache geht, und es ist eine höchste Sensibilisierung und Empfindlichkeit, wenn ihm etwas fehlt. Leicht erkältet, wie er sei, wagte er es nicht, an die frische Luft zu gehen, mich schickte er in den Keller zum Mostholen, kam aber dann doch mit, um nachzusehen, daß ich nicht allzu lange bliebe. Wir gingen früh zu Bett, ich bat ihn um die Lektüre eines Teils der ›Korrektur‹, auch das wollte er nicht, er könnte nicht mehr schlafen, wenn er wisse, unter seinem Dach würde

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