Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld
Optionsklausel nicht freigegeben worden wäre. Das hat es nie gegeben, und ich hoffe, es wird auch für die Zukunft so bleiben. Und, lieber Herr Bernhard, ich darf Sie erinnern, daß der Insel Verlag Ihnen gegenüber gewaltige Vorleistungen aufgebracht hat. Ich wäre ein schlechter Wahrer der Interessen des Hauses, wenn ich in diesem Ihrem speziellen Fall leicht darüber hinwegsehen könnte. Bitte haben Sie Verständnis dafür. Im übrigen kann ich nur immer wieder sagen, wie sehr ich mich freue, daß ich Sie verlegen kann, und Sie dürfen sicher sein, daß sich das ganze Haus auch sehr um die Verbreitung Ihres Werkes bemüht hat und bemühen wird.
Schönste Grüße
Ihr
Siegfried Unseld
1 Anneliese Botond hält in einer Aktennotiz vom 6. November 1967 fest: »Die Erzählung ist fertig, doch würde Bernhard sie lieber erst im Herbst 1968 veröffentlicht wissen (Veröffentlichungen nicht so rasch nacheinander), den Roman dann im Herbst 1969. Er glaubt, den Roman in diesem Sommer abschließen zu können. Bernhard möchte gern in der ersten Hälfte des kommenden Jahres für ein paar Monate nach Amerika. Er fragt, ob wir ihm zu einer Einladung verhelfen können (durch das Goethe-Haus, Victor Lange oder andere Germanisten in Amerika, Ford-Foundation?). Er will den Vertrag über ›Verstörung‹ sofort unterzeichnen – aber ohne die Optionsklausel. Er will seine nächsten Bücher sowieso und auf jeden Fall dem Insel Verlag geben, aber aus freien Stück[en]. Der Zwang sei ihm schrecklich.« Der Vertragsentwurf für Verstörung hält im Paragraph 11 fest: »Der Autor räumt dem Verlag eine Option auf sein Werk ein.« Th. B. akzeptiert bei der Vertragsunterzeichnung am 22. November 1967 die Optionsklausel.
[39]
Ohlsdorf
14. 11. 67
Lieber Herr Dr. Unseld,
ich wünsche mir tatsächlich einen guten Frühherbsttermin für die Erzählung in der edition. Im Jahr darauf möchte ich dann meinen Roman publizieren. Es ist die Natur der Sache, die Ihnen meine Manuskripte in Zukunft zuführen wird, selbstverständlich. Manchmal habe ich in letzter Zeit gezweifelt, ob ich denn doch einen Verleger habe, denn es schien mir, als kümmerte sich gar keiner um mich. Dann aber habe ich gedacht, was denn ein wirklich guter Verleger eigentlich ist, und zwar heute ist, wie schaut er aus, und dann bin ich, möglicherweise sogar gegen meinen Willen, auf Sie gekommen. Sie blieben übrig, sonst niemand.
Ein Autor ist etwas ganz und gar erbärmliches und lächerliches und so betrachtet ist es ein Verleger auch. Aber ein Verleger ist letztenendes noch mehr mit dem Teufel im Bunde ein grösserer Anonymus und dadurch von nicht ganz einer solchen zierlichen Lächerlichkeit wie der Autor, der ganz und gar zierlich ist. Nichts ist wirklich unheimlich – und also ist es weder irgendein Autor noch irgendein Verleger.
Wenn ich es ehrlich bedenke, so sind meine Erzeugnisse unter Ihren Verlagszeichen doch am besten.
Ich habe meinen und Sie haben Ihren Stolz und beide sind wir angewiesen auf ein Poetisches in der Natur, in welcher wir leben, abwechselnd leben und existieren, und von dem wir beide nicht wissen, was es ist.
Ich empfinde mich durchaus glücklich und arbeite gut.
Sehr herzlich Ihr
Thomas Bernhard
[40; Anschrift: Ohlsdorf]
Frankfurt am Main
17. November 1967
Lieber Herr Bernhard,
um es in einem Wort zu sagen, ich habe mich über Ihren Brief sehr gefreut |!| Er wird für mich ein Markstein in unserer Beziehung bleiben, ich hoffe, wir wissen nun, was wir voneinander zu halten haben, und wissen dies nicht nur für heute, sondern auch für morgen und übermorgen.
Wir machen also Ihre Erzählung in der edition suhrkamp, und zwar zum besten Termin: im September 1968. Im Herbst 1969 werden wir dann mit wirklicher Intensität den Roman herausgeben.
Da wir die Ankündigung des editions-Programms bis einschließlich Oktober 1968 jetzt vorbereiten müssen, läge mir
a) an dem Titel der Erzählung und
b) müssen wir einen Text über die Erzählung produzieren können. Wollen Sie dazu eine Kleinigkeit schreiben? Wir würden das anonym veröffentlichen, oder können Sie mir für kurze Zeit die Erzählung in der jetzigen Form zuschicken?
Soviel zu Ihrem freundlichen Brief. Noch einmal: ich danke Ihnen sehr.
Herzliche Grüße
Ihr Siegfried Unseld
[41; Anschrift: Ohlsdorf; Telegrammnotiz]
Frankfurt am Main
28. November 1967
Lieber Herr Bernhard,
wir benötigen für die Ankündigung in der edition suhrkamp dringend
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