Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld
Günther Busch im Brief vom 2. Juni 1967: »Wenn auch mein Verleger nicht begeistert ist über den Titel ›Prosa‹, so bin ich es.« Im selben Brief schlägt er Günther Busch die Publikation seines ersten Gedichtbandes Auf der Erde und in der Hölle in der edition suhrkamp vor. Begründung: »Es tut mir jetzt leid, dass die Gedichte, meine gelungensten, ganz vergessen und verschollen sind.«
2 S. U. bezieht sich auf einen Leserbrief von Th. B. ( Der Spiegel , 29. Mai 1967, S. 23) zu der Rezension von Verstörung durch Herbert Eisenreich, der aus einem Satz besteht: »Mein nächstes Buch lassen Sie bitte gleich von einem natürlich auch in Oberösterreich geborenen oder ansässigen Schimpansen oder Maulaffen besprechen.«
[37; Anschrift: 〈Ohlsdorf〉]
Frankfurt am Main
4. August 1967
Lieber Herr Bernhard,
ich hoffe sehr, daß Ihre Genesung Fortschritte macht. Im übrigen versäumen Sie ja nicht viel in diesem überheißen Sommer, der ja nicht gerade zur Arbeit ermuntert. 1
Die Kritiken Ihres Buches wachsen, und es ist durchaus auch so, daß gelegentlich ein Exemplar verkauft wird.
Dazu aber gibt es gerade eine Siegesmeldung: der New Yorker Verlag Alfred A. Knopf hat sich entschlossen, die »Verstörung« herauszugeben. Das ist nun nach Gallimard der zweite, sehr wichtige Abschluß, und ich möchte Sie und mich dazu sehr beglückwünschen. 2
Alles Gute und herzliche Grüße
Ihr
Siegfried Unseld
1 Th. B. muß sich zwischen dem 12. Juni und 20. September 1967 im Wiener Krankenhaus Baumgartnerhöhe behandeln lassen. Kurz zuvor wird ein morbus boeck diagnostiziert und danach ein Tumor aus dem Brustraum operativ entfernt. Anneliese Botond unterrichtet S. U., wie sie Th. B. in einem Brief vom 24. Juni 1967 mitteilt, vom Krankenhausaufenthalt. Dieser Klinikaufenthalt erhält eine literarisierte Form in der 1982 erschienenen Erzählung Wittgensteins Neffe (siehe Th. B.: Werke 13 , S. 209-229).
2 Gargoyles erscheint 1971, in der Übersetzung von Richard und Clara Winston, bei Alfred A. Knopf. Perturbation erscheint, in der Übersetzung von Guy Fritsch-Estrangin, 1971 bei Gallimard in der Reihe »Du monde entier«.
[38; Anschrift: 〈Ohlsdorf〉]
Frankfurt am Main
7. November 1967
Lieber Herr Bernhard,
Frau Botond gibt mir eine Notiz, die dreierlei enthält. 1 Einmal erfahre ich zu meiner Freude, daß Sie eine neue Erzählung fertig haben, sie jedoch erst im Herbst 1968 veröffentlicht wissen wollen. Das verstehe ich gut, doch erhebt sich die Frage, ob die Veröffentlichung dann vielleicht nicht doch besser im Rahmen der edition suhrkamp erfolgen soll. Wir werden mit Sicherheit 10.-12.000 Exemplare mit einer neuen Erzählung erreichen. Die Schwierigkeit liegt nur darin, daß wir uns jetzt, in den nächsten 14 Tagen, entscheiden müssen, denn wir legen dann das Programm für das nächste Jahr fest. Wie denken Sie darüber? Vielleicht könnten Sie uns dann doch den Text der Erzählung schicken?
Sie möchten gern nach Amerika und möchten eingeladen sein. Diese Sache ist ein bißchen schwierig, weil die Amerikaner zur Zeit ihre Einladungen stark gedrosselt haben. Die Einladung durch deutsche Kulturstellen hat bei Ihnen Schwierigkeiten, die in Ihrem österreichischen Paß begründet sind. Ich fahre nun diese Woche nach Bonn und spreche hier mit einigen Kulturleutchen der Regierung. Vielleicht kann ich etwas erreichen. Und das Dritte:
Ich erfahre, daß Sie den Vertrag über »Verstörung« noch nicht unterzeichnet haben, und zwar stoßen Sie sich an der Optionsklausel. Ich verstehe Sie durchaus, und ich habe nicht den geringsten Zweifel, daß Sie etwa nicht bereit sind, Ihre nächsten Manuskripte dem Insel Verlag anzubieten. Und ich weiß auch aus meiner großen Erfahrung in diesem Punkt, daß ein Zwang dieser Art in der Regel keine förderliche Wirkung hat. Doch bin ich mit meinen Autoren immer so verblieben, daß ich sagte, es gibt eine gegenseitige Treue, und die bekundet sich darin, daß ich mich verpflichte, mich für die kommenden Bücher einzusetzen, und dem gegenüber steht auch dann die freiwillige Verpflichtung des Autors, das nächste Manuskript dem Verlag zu übergeben. Sie wissen, daß eine Option, die nicht mit einer Optionssumme unterbaut ist, keine einklagbare Kraft hat. Insofern sind Sie durchaus frei, und ich kann Ihnen noch folgendes versichern, daß es bisher keinen Fall gegeben hat, daß ein Autor, der wegwollte, von mir aus wegen einer solchen
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