Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld

Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld

Titel: Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimund Fellinger
Vom Netzwerk:
diesen Titel plädiert. Es war uns sonnenklar, daß ein solcher Titel zunächst vom Sortiment abgelehnt würde und dann von den Leuten (es sind 90% aller Bücherkäufer), die Bücher zu Geschenkzwecken kaufen. Diese Leute wollen eben keinen Titel, der »Verstörung« heißt. Wir alle wußten dies, aber Thomas Bernhard wies die Argumente seines Verlegers zurück, er wußte es besser, und nun haben wir die Quittung. Ich will damit nicht sagen, daß wir bei einem »positiveren« Titel wesentlich andere Ergebnisse erzielt hätten, aber etwas anders sähe die Sache wohl doch aus.
    Und nun noch etwas. Sie wissen, daß im Suhrkamp Verlag Beckett als Nummer 1 aller Autoren rangiert und daß wir uns um ihn wirklich bemühen. Darf ich Ihnen einmal die Verkaufsziffern von Beckett nennen.
»Molloy« (1954 erschienen)
2.554 verk. Exemplare
»Malone« (1958 erschienen)
1.632 ” “
»Der Namenlose« (1959 ersch.)
1.467 ” “
»Wie es ist« (1961 erschienen)
873 ” “
»Dramatische Dichtungen«
1 + 2 (1963 + 1964 ersch.)
1.366 + 1.176 verk. Ex.
    Unsere elektronische Absatzstatistik ergibt einen Verkauf von etwa je 10 Exemplaren im Monat. Das ist, wenn man so will, ein vernichtendes Ergebnis. Aber wir haben sehr wenig Möglichkeiten, es zu ändern, obschon wir ständig den Versuch unternehmen. Beckett hat nicht ein einziges Mal wegen dieser Absätze geklagt, im Gegenteil, er sieht unser Bemühen und bedankt sich dafür. Und ein wenig kennen wir doch auch die Literaturgeschichte der Moderne. Denken Sie doch an einen Fall, mit dem Sie sich wirklich vergleichen dürfen, an Kafka. Von ihm sind von einem ersten Buch im ersten Jahr des Erscheinens nie mehr als 300 Exemplare verkauft worden.
    Wir müssen Geduld haben, lieber Herr Bernhard. Anders geht es nicht. Sie müssen Vertrauen haben in die Arbeit der beiden Verlage, die Ihre Bücher bringen. Und Sie haben in beiden Verlagen Leute, die sich wirklich um Sie bemühen. Und in erster Linie möchte ich mich dazurechnen. Ich hatte bei meinem letzten Gespräch mit Ihnen durchaus den Eindruck, daß Sie die Situation richtig beurteilen. Aber kaum waren Sie aus meinem Zimmer heraus, schon beginnen Ihre Unsicherheiten wieder. Ich weiß, daß das so ist, und ich klage auch gar nicht darüber, aber ich meine, Sie bringen sich nur mit all diesen Mahnungen und Klagen um die Möglichkeit, neue Arbeiten zu schreiben, und nur diese können Ihre Situation ändern. Wir sind keinesfalls mit Ihren Büchern bisher gescheitert. Sicherlich, die Absätze sind nicht sehr gut, aber Sie haben sich jetzt als Autor einen großen Namen geschaffen, die Kritik hat Sie in die erste Reihe der Prosaschreiber eingereiht, die Öffentlichkeit hat Ihre Arbeit auch durch Preise anerkannt. Was wir jetzt brauchen, ist ein neues großes und weit angelegtes Buch. Dann schaffen wir den Erfolg, den Sie mit Recht für sich fordern.
    Wir müssen uns nach den Realitäten richten. Ich habe Ihnen die Absatzziffern Ihrer Bücher in der edition suhrkamp gesagt. Sie können doch nicht von einem Verlag verlangen, daß er sich unrealistisch verhält, und daß wir großzügig waren, habe ich Ihnen bewiesen. Sie selber haben mir vor Jahresfrist gesagt, daß Sie so viel Einnahmen hätten, daß Sie davon leben könnten, und daß Sie alle weiteren Einnahmen, die Sie im Insel oder Suhrkamp Verlag haben, zur Abdeckung des Darlehens verwenden wollten. Nur so kann sich ja das Darlehen vermindern, es sei denn, es träfe das ein, was wir uns von kommenden Büchern erhoffen. Wie gesagt, wir müssen Geduld haben.
    Herzliche Grüße
    Ihr
    Siegfried Unseld

[48]
     
    Ohlsdorf
    22. 7. 68
    Lieber Herr Dr. Unseld,
    Ihr Brief vom 15. ist voll Wahrheit, enthält aber eine Unrichtigkeit und ist im übrigen von einer mir sehr vertrauten agronomischen Schläue, der ich meine Bewunderung nicht entziehen kann.
    Die Unrichtigkeit bezieht sich darauf, dass Sie mir »Mahnungen und Klagen« vorwerfen, die mich, Ihrer Ansicht nach »um die Möglichkeit, neue Arbeiten zu schreiben, bringen«. Ich glaube, Sie finden kaum einen zweiten Autor Ihres Verlags oder beider Verlage, der Ihnen höchstens einmal oder allerhöchstens zweimal im Jahr schreibt, und das am kürzesten (der letzte Brief ausgenommen!), und also woraus schliessen Sie, dass ich andauernd mahne und klage. Das mag Ihnen so vorgekommen sein während der Konzeption Ihres Briefes, ist aber wie Sie sehen, nicht so.
    Was Sie schreiben, ist alles sehr klar und ich brauche nicht mehr darauf eingehen. Es

Weitere Kostenlose Bücher