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Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld

Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld

Titel: Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimund Fellinger
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ich ja auch von etwas leben muss. Schliesslich datiert das Darlehen vier Jahre zurück, was für ein Narr könnte vier Jahre davon leben. Abgesehen also, ich brauche etwas zum Leben also, wenn ich nichts habe muss ich, wie jeder andre Mensch auch, arbeiten gehen. Dagegen habe ich nichts, im Gegenteil, holzhacken oder ähnliches ist mir [die] längste Zeit lieber als schreiben, aber dann kann ich auch nicht daran denken, den Roman, an dem ich arbeite weiter zu bringen und so fort. Wie stellen Sie sich vor, lebt ein Mensch mit einem Bauch? Man muss ihn füllen, ganz einfach.
    Was »Ungenach« betrifft, so möchte ich doch noch einmal folgende Geschichte erzählen, obwohl ich kein Erzähler bin:
    »Ungenach«, eine Geschichte (Von Thomas Bernhard)
    Es war einmal ein Autor, der schrieb »Amras« und bekam [[dafür]] sage und schreibe 3.000.— Mark dafür, dass sein »Amras« in der edition suhrkamp erschien. Der gleiche Autor schrieb zwei Jahre später einen Band Erzählungen, die er, so der Verleger, unglücklicherweise mit »Prosa« betitelte und bekam dafür aufeinmal nur 2.000.—. Dann schrieb er, weil er ja immer schreibt, weil er einfach schreibt usf., ein Buch mit dem Titel »Ungenach« und verlangte (wie ein Schuhmacher für ein Paar gemachte Schuhe) so wie er für »Amras« es oder sie, bekommen hat, wieder 3.000.— und es waren ihm (vom Verlag) einstimmig 3.000.— versprochen, was ganz in Ordnung ist und jetzt, man stelle sich vor, bekommt dieser gleiche Autor von seinem Verleger (jetzt mag der sein wie er will!) einen Vertrag (und eine Mahnung!) auf nur 2.000.— wobei sich auch die 2.000.— als ganz und gar ausserordentliche Grosszügigkeit anbieten . . . usf. . . . (Fragment und Ende der Geschichte).
    Ich könnte jetzt wütend sein, bin es aber nicht, weil die Natur um mein schönes Haus herum die schönste, weil anzüglichste ist. Ich könnte auch noch andres sein, bin aber alles das nicht. Nur sage ich mir, dass sein Verleger (des Autors Verleger also) doch auch jetzt, nachdem er sich doch eine Nachlässigkeit zuschulden kommen hat lassen, jetzt, vier Jahre nach der ersten Grosszügigkeit, einmal diesen grosszügigen Eindruck erhalten soll. Das wäre schön. Momentan glaube ich nicht an die Grosszügigkeit des Verlegers.
    Aber warum so viel reden. Es ist ganz klar, es macht mir nichts, wenn ich mir mein Geld auf die simple Weise verdiene, wenigstens bin ich die Millionen von widerlichen Krämpfen los, die mit der Schreiberei verbunden sind.
    Ihr Brief (vom 9. Juli) ist ungut.
    Ich weiss nicht, was Sie denken. Sollten Sie das Darlehen aufeinmal haben wollen und mich damit überfallen, so töten Sie mich ja nicht, ich treibe das Geld auf und Sie haben es.
    Es wäre das aber doch eine verrückte und bedauerliche Lösung, glaube ich.
    Herzlich Ihr
    Thomas Bernhard

    P. S.: Und für was für einen jämmerlichen Schreiberling halten Sie mich?
    P. S. 1: Es ist mir auch im Augenblick alles wurscht, wie Sie sich jetzt verhalten mögen, ich finde das alles viel zu lächerlich.
    P. S. 2: Und wenn Sie an die verschiedenen Literaturpreise denken, so muss ich Ihnen doch einmal sagen, dass mich allein mein Spitalsaufenthalt S  60.000.— gekostet hat.
    P. S. 3: Ich wünsche keinen Sentimentalismus.

[47; Anschrift: 〈Ohlsdorf〉]
     
    Frankfurt am Main
    15. Juli 1968
    Lieber Herr Bernhard,
    für was halte ich Sie, fragen Sie mich in Ihrem Brief vom 11. Juli. Nun, aufrichtig und ehrlich, für einen Schriftsteller großer Art, für einen Schriftsteller, der wichtige Arbeiten geleistet hat und bei dem ich sicher bin, daß er noch bedeutendere schreiben wird. Und ich halte Sie für einen sympathischen Menschen, dem ich selbst dann Recht zuspreche, wenn er sich mit seinen Argumenten offensichtlich ins Unrecht setzt.
    Sie haben nämlich wirklich nicht recht, lieber Herr Bernhard. Der Verlag kann an Erfolg oder Mißerfolg der »Verstörung« nicht schuldig sein, und zwar in keiner Weise und nicht mit irgendeinem Gran. Und wenn wir tausend Anzeigen veröffentlicht hätten, und wenn Sie selbst als Vertreter gereist wären, ein überraschendes Mehr ist nicht möglich, und es ist nicht möglich bei der Struktur Ihrer Texte, das heißt von ihrer Sprachform wie den Inhalten Ihrer Arbeiten her. Im übrigen erinnere ich Sie an unsere Diskussion für den Titel. Ich habe mich ja bis zuletzt geweigert, den Titel »Verstörung« anzunehmen. Sie waren und blieben eigensinnig. Niemand hier im Hause hat für

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