Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld

Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld

Titel: Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimund Fellinger
Vom Netzwerk:
ich mit ihm bei dreizehn Grad unter Null und unter der Erde die berühmten Stiersarkophage bestaunt und dann, wieder im Tageslicht, bei zweiundvierzig Grad über Null , einen gemeinsam gelachten Lachkrampf bekommen. In Teheran schaute ich an seiner Seite wie er vom dreizehnten Stock des Sheratonhotels in das Schwimmbecken, in welchem kein Wasser, aber der Hotelmüll gelagert war. Nie, weder vorher noch nachher, habe ich einen so traurigen Unseld gesehen. Nach dem Besuch eines diplomatischen Essens in Kairo ist eineinhalb Meter vor dem Ziel das Seil jenes Lifts gerissen, in welchem Unseld und ich und andere auf dem Weg zur ebenen Erde waren. Ein nur eine halbe Sekunde früher gerissenes Seil, und es gäbe schon sieben Jahre keinen Unseld und keinen Bernhard. Wir hatten uns den Staub und den Mörtel aus den Haaren und aus den Kleidern geschüttelt und aufgelacht.« (Th. B.: Unseld , S. 52f.; siehe Abb. 12)

[349; Anschrift: Ohlsdorf]
     
    Frankfurt am Main
    25. Mai 1977
    Lieber Thomas Bernhard,
    ich hoffe, Sie sind gut von Ihrer Reise zurückgekommen. Wie war es in Israel?
    Sie haben mal spaßeshalber erwähnt, daß Sie in einer Kirche lesen wollten, und ich habe das leichtsinnigerweise einmal in der Schweiz erwähnt. Nun haben Herren der Stiftung »Alte Kirche Boswil« die Idee aufgenommen und Sie zu einer Lesung eingeladen. Anbei die Unterlagen. 1 Vielleicht könnte man das ja in den Herbst verschieben und wir uns dann einmal in der Schweiz treffen. Das wäre doch nicht schlecht.
    Herzliche Grüße
    Ihr
    [Siegfried Unseld]
    1   Die Unterlagen haben sich nicht erhalten.

[351]
     
    Ohlsdorf
    27. 6. 77
    Lieber Siegfried Unseld,
    im Aufwachen habe ich heute gedacht, dem Unseld schreiben, wie gut die Persienreise gewirkt hat und dass ich die Einladung, einen neuen Erdteil zusammen zu entdecken, gern annehme – in Zukunft.
    Ich bin seit Wochen in Arbeit und an nichts anderem interessiert.
    Bald wird es nichts mehr anderes geben als die Schreibarbeit und nur noch kurze Zwischenräume wieder nur auf diese Arbeit bezogen.
    Das ist der Weg eines glücklichen Menschen .
    Die Arbeit als Leidenschaft, die fortgesetzte Partitur als Leben.
    Ich denke, dass ich in zwei Wochen die »Perserin« schicke.
    Einmal will ich auf kurz nach Wien, dort herumlaufen und zurück und das Ganze durchgehen.
    Ich denke vor allem an Kairo, den Höhepunkt und will im November / Dezember wieder dorthin, es war zu kurz.
    In Israel bin ich mehr oder weniger deprimiert gewesen über diesen Versuch, der zum Scheitern verurteilt ist, es ist kein Staat, dem man seine unheilbare Krankheit und seinen absehbaren Tod ins Gesicht sagen kann, von dieser Art ist dieser Organismus nicht. Es ist der geliebte Unheilbare, dem man Unendlichkeit vortäuschen muss.
    Mit Melancholie denke ich an das ›Grandhotel‹ in Shiraz, nicht an die amerikanischen Monster È la Hilton mit ihren scheusslichen Höllenkabinetten. Wir gehn weiter durch die Wüste.
    In besten Gedanken Ihnen und Ihrer Frau
    Ihr
    Thomas B.

[352; Anschrift: Ohlsdorf]
     
    Frankfurt am Main
    8. August 1977
    Lieber Thomas Bernhard,
    heut ging es mir so: beim Aufwachen habe ich an Sie gedacht. Obschon heute eigentlich alles ganz anders läuft – ich muß nach Tübingen, wo wir morgen Ernst Bloch beerdigen —.
    Danach will ich eine Art Klausur beginnen für Kopf und Körper, was auch immer das ist. Ende August tauche ich auf und melde mich wieder bei Ihnen. 1
    Übrigens: wir sollten uns doch auch wieder einmal sehen!
    Herzliche Grüße
    Ihr
    [Siegfried Unseld]
    1   Nach der Rückkehr von der Beerdigung Ernst Blochs auf dem Tübinger Bergfriedhof beginnt S. U. in Frankfurt eine »Bio-Norm-Kur mit Alkohol-Abstinenz«, wie er unter dem Datum vom 10.-20. August in der Chronik festhält: »In der ganzen Zeit bin ich morgens ein, zwei Stunden im Verlag, sonst arbeite ich zu Hause bis etwa nachmittags vier Uhr, dann Waldgang, Thermalschwimmen [. . .].«

[353; Anschrift: Ohlsdorf]
     
    Frankfurt am Main
    25. August 1977
    Lieber Thomas Bernhard,
    M. Voisin von L’Arche, unser Theatervertreter in Paris, schreibt mir heute das Folgende:
    Je serais en mesure de traiter pour la création en langue française de la pièce de Thomas Bernhard: »Der Ignorant und der Wahnsinnige«, traduction de Michel Demet, sur les bases suivantes:
1. La pièce serait mise en scène par Henri Ronse et jouée dans la petite salle de la Compagnie du Rideau de Bruxelles, 23 rue Ravenstein à Bruxelles, Belgique, entre

Weitere Kostenlose Bücher