Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld
Tag nicht zuhause sein.
Es war schon immer meine Absicht, an dem fraglichen neunten nicht zuhause und gänzlich allein zu sein und ich bitte Sie, mich zu verstehen.
Wir hatten ja eine sehr schöne und gute Zusammenkunft hier in Ischl! Geburtstage, die eigenen vor allem, habe ich immer verabscheut und ich habe sie – ausser dem vierzigsten damals in Brüssel! — auch nie zur Kenntnis genommen.
Ich bitte Sie, diesen Geburtstag nicht zur Kenntnis zu nehmen.
Sehr herzlich
Ihr Thomas B.
1 Th. B. streicht »Kurhotel Bad Ischl« durch.
[420; Anschrift: Ohlsdorf]
Frankfurt am Main
29. Januar 1981
Lieber Thomas Bernhard,
bei meinem letzten Telefonat habe ich nun doch noch einmal eine Erinnerung vergessen: In Bad Ischl vereinbarten wir, daß Sie mir das Manuskript des Stückes »Am Ziel« noch einmal zukommen lassen, denn die mir vorliegende Kopie ist unzulänglich. Die ersten Zeilen sind nicht lesbar, es ist also als Satzvorlage nicht zu gebrauchen. Wir sprachen ja über ein, zwei Stellen, welche Abschreibfehler enthielten. Bitte lassen Sie mir das bald zugehen, denn wir sollen ja den Bibliothek Suhrkamp-Band rechtzeitig zur Aufführung vorliegen haben.
Wann und wo darf ich dann das Manuskript »Der Sohn« bei Ihnen holen? Und schicken Sie mir dann bitte mit Widmung und der Versicherung, daß das nun das letzte war, das Buch »Kälte« zu?
Ich sprach neulich mit Klingenberg vom Züricher Schauspielhaus. Er hatte durch Kaut vom Stück »Am Ziel« gehört und würde sich sehr für eine Aufführung am Schauspielhaus in Zürich interessieren. Doch wir brauchen ja zunächst einmal Ihre definitive Fassung.
Herzliche Grüße
Ihr
[Siegfried Unseld]
P. S.: Am 3. März soll in Paris die französische Aufführung »Der Präsident« in der Inszenierung von Roger Blin stattfinden. Wäre das eine Möglichkeit eines Treffens? 1
1 Die Aufführung des Stücks in der Übersetzung von Claude Porcell findet im ThéÀtre de la Michodière statt. Es spielen: Eléonore Hirt, Guy Tréjan u. a. Zu dem Treffen in Paris kommt es nicht.
[421]
Ohlsdorf
3. Feber 81
Lieber Siegfried Unseld,
hier haben Sie das komplette, unverstümmelte Manuskript des Salzburger Stücks. Dazugekommen ist der Satz von Dostojewskij, eliminiert worden ist die komplette Seite 48. 1
Ich finde, der Titel kann nicht besser sein.
Es wird richtig sein, das Buch im Juni erscheinen zu lassen.
Was meine »Gipfel«-Komödie betrifft, so hätte ich die grösste Freude nur daran, wenn sie, unabhängig von der Aufführung, die wir ja selbstverständlich wegen Salzburg verschieben, so bald als möglich als Buch in meine Hand käme. Und wäre es in den nächsten Wochen, unabhängig von der Ankündigung im Mai. Es ist ja ein Buch zum lesen ! Und ich hätte ausserdem einmal einen Spass an einer Sache.
Wir haben soviel über meinen Geburtstag geredet, in ein paar Tagen ist er vorbei, das ist gut so, und vergessen. Sind Sie froh, nicht wieder in diese perverse Donaurepublik reisen zu müssen! Ich werde die abgesägten Äste im Obstgarten aufklauben und Dostojewskij lesen in einem Winkel bei verschlossenen Toren, also überhaupt nicht aus meiner alltäglichen Rolle fallen. Und wenn es sich trifft, werde ich sogar arbeiten. Ich Faulpelz!
Nach dreissig Jahren habe ich wieder einmal eine Buchbesprechung veröffentlicht, die bei mir bestellt worden ist und prompt eine Menge Leute aufgescheucht. Es handelte sich um ein scheussliches Buch über Kreisky. Mit diesem Denkmal sind Sie ja am Sonntag im Akademietheater gesessen und ich dachte, das würde ich nicht aushalten.
Der Kanzler von Österreich und das »Triptychon« aus der Schweiz! 2
Während dieser Uraufführung besprach ich mit meinem Bruder eine Cortisonbehandlung gegen meine geschwollenen Drüsen unter dem Brustbein. Eine dumme Sache, die seit einem halben Jahr nach dreizehn Jahren Ruhe, wieder aufgetaucht ist – Sie sehen, nicht nur auf dem Theater gibt es Probleme. Da ich schon bald keine Luft habe, muss etwas geschehen. Aber ich bin zuversichtlich und habe beschlossen, während der Behandlung zu arbeiten. Und natürlich zuhause. Ich werde Ihnen dann beizeiten sagen, wann der »Sohn« erwachsen geworden ist, um aus dem Haus geworfen zu werden.
Sehr herzlich unter besonderer Berücksichtigung des Vorzimmers 3 Ihr
Thomas B.
1 Das Motto von Dostojewski (»Zum Dank für diese naive und harmlose Offenherzigkeit haben Sie mich mit einem Hanswurst verglichen, was mich aufrichtig
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