Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld
Gemälde. Nicht genug mit Deutschland, trat Herr Rach auch in Amerika, wie ich weiss, als mein Gegner auf und verbreitete eine Anti-Bernhard-Stimmung in New York. Und ausgerechnet in dem Augenblick, in welchem sich in Amerika für meine Arbeit ein, wie ich weiss, bedeutender und für meine ganze Entwicklung wichtiger Aufschwung anbahnt. Herr Rach geht durch New York und teilt aus gekränkter Eitelkeit, weil ich mit meiner Meinung über ihn auch ihm gegenüber nie hinter den Berg gehalten habe, Fusstritte gegen mich aus. Wieder, wie es ihm entspricht, auf die hinterhältigste Weise.
Sein primitives Motto lautet: ich bin für die Unterhaltungsliteratur und verachte und hasse das Hochgestochene! Ich hoffe sehr, Sie selbst haben sich diesen Spruch nicht zu eigen gemacht! Nun ist es mir, nach allem, was ich jetzt über Rachs Tätigkeit weiss und was ich sehe, wenn ich diesen Mann sehe, wie er nämlich als Reisender in Theater die Theaterfoyers betritt und seine versteckten und dadurch umso gemeineren Ohrfeigen gegen mich austeilt, ein unerträglicher Gedanke, dass ausgerechnet dieser Mann meine Rechte im Theaterverlag Suhrkamp vertreten solle. Das müssen Sie zugeben, dass das absurd ist! Aber andererseits haben Sie ja Rach wieder engagiert, obwohl Sie den Sachverhalt genau kennen und er ja auch zwischen uns öfter als einmal besprochen worden ist. Sie haben sich einen Feind meiner Arbeit in Ihr Haus geholt, das ist die Tatsache und sie darf so deprimierend sein, wie ich sie hier darstelle.
Meine Frage ist jetzt, was werden Sie tun? Mit Herrn Rach werde ich überhaupt nichts tun und wenn der Herr in den Verlag eintritt, werde ich aus dem Theaterverlag Suhrkamp ausgetreten sein. Ich sehe keine andere Lösung. Wir befinden uns jetzt in einer schwierigen Lage. Wenn ich nicht Ihre eigenen Zweifel an meinen Theaterstücken kennte, leider kenne ich sie und das ganze Jahrzehnt, das meine Stükke aufgeführt werden, waren Sie voller Zweifel und Unsicherheit und mussten dann immer erst im letzten Moment vom Gegenteil, dass sie nämlich doch etwas wert sind, überzeugt werden. Ich litt schon immer darunter, das Wort musste gesagt werden. Sie können doch nicht von mir erwarten, dass ich einen Mann akzeptiere, der den wilden und ungeheuer gewachsenen Baum, der sich zu stattlicher Grösse in der ganzen blöden Öde des Theaters entwickelt hat, mit seiner gemeingefährlichen Säge absägt!
Ich verstehe ganz einfach die Dummheit dieses Engagements, aus was für einem Grund immer, nicht! 2
Erst wenn wir diese Sache, die mir doch nach meiner jetzigen Erkenntnis dringlich erscheint, geklärt haben, können wir überhaupt weitermachen. Auch was die Prosa betrifft.
Voll Hoffnung und Überschwang habe ich Ihnen vor ein paar Tagen geschrieben und gesagt, wieder einmal gesagt, auch gegen allen inneren Widerspruch, Sie sind der beste Verleger! Was mich betrifft, muss ich heute ein grosses dickes fettes Fragezeichen hinter dieses der beste setzen.
Sehr herzlich Ihr
Thomas Bernhard
1 Siehe Brief 409.
2 Es existieren im Verlagsarchiv die Originale zweier Briefe von Rudolf Rach an S. U. bzw. an Th. B. Der an Th. B. adressierte ist datiert auf den 8. März 1981 und lautet: »Lieber Herr Bernhard, ich höre von Ihren Beschuldigungen. Im einzelnen hierauf einzugehen ist ohne Sinn. Klatsch und Tratsch, Tag und Nacht unverzichtbarer Bestandteil des Theaters, interessieren mich nicht. Wenn ich Ihnen schreibe, dann deswegen, weil ich aus Ihrem Brief eine Angst spüre, die mich betroffen macht, und weil ich diese Angst nur zu gut verstehe. Verkürzt: ich sei ein Freund mehr oder weniger anspruchsloser Unterhaltung, ein Feind alles Komplizierten und Schwierigen und somit auch Ihr Feind. Was für ein Mißverständnis. Was für eine Ignoranz derjenigen, die glauben, so etwas in die Welt setzen zu können. Der einzige Grund, warum ich das Theater – ein subventioniertes deutsches Stadttheater voller Partei- und Bürokratenklüngel – verlasse, ist der, mich dieser verkommenen Form des Theaters zu entziehen. Ich glaube, ich kenne den Suhrkamp Verlag gut genug, um zu wissen, welche Aufgaben und Möglichkeiten mich dort erwarten. Im übrigen denke ich, es ist ratsam, einem Feind, falls es sich denn wirklich um einen solchen handelt, ins Auge zu blicken. Dann sieht man genauer, mit wem man es zu tun hat. Freundliche Grüsse Ihr Rudolf Rach.«
Der an S. U. adressierte trägt das Datum vom 7. März: »Lieber Herr Unseld, das wär’s. Das
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