Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld
Wien und nachdem es vollkommen auseinandergenommen war, entdeckte ich Ihre Aufforderung zu einem neuen Goethe, wie mir schien, in seinem Innern. Die Welt kann sich tatsächlich lustig machen über mich und mich an die hundert Jahre alt werden lassen. Heute habe ich nichts dagegen. Das Tintenfass mit seinem magischen Lichtspiel, werde ich naturgemäss nicht mit Tinte, sondern nur mit meinen Ideen füllen und diese Ideen verarbeiten und nach Frankfurt schicken, möge es sich um einen Ideenstrom handeln in der Zukunft, eine Donau und einen Main meines Kopfes zurück .
Wenn ich jetzt schreibe, dass ich in bester Verfassung bin, so ergibt das einen ganz natürlichen Widerspruch, der die Wahrheit ist. 1
Der »Sohn« wird gepflegt, gleichzeitig habe ich mich um einen Hanswurst zu kümmern, der auf die Bühne soll im nächsten Jahr.
Ich werde in zwei Wochen kurz nach Wien fahren und wieder zurück, vielleicht Ende März ebenso kurz nach Bochum, dann aber meine Ruhe in meinem Haus bewahren, das mich im Augenblick sehr glücklich macht. Es ist jetzt alles ideal hier und ich habe einen perfekten Arzt.
Die »Kälte« ist ein unerfreuliches Buch, das aber notwendig ist, wenn ich weiterkommen will und ich habe ganz einfach die Hemmungen des Stiefvaters was dieses Buch betrifft und schicke es nicht, sondern bringe es einmal mit. Und vielleicht bin ich einmal auch gern gesehen in der Lindenstrasse und lasse mich dort auf eine Österreichstunde nieder.
Ein kurzer Satz für meinen (besten!) Verleger: wir werden alle Bücher schreiben und alle Verträge einhalten!
Sehr herzlich
Thomas B.
P. S.: Ich will im |*|Herbstprogramm ein mir sehr wichtiges Buch veröffentlichen mit dem Titel »Krieg« und mit dem Untertitel »Verletzungen«, das ich am 31. April abliefere, wenn Sie einverstanden sind!!!
|* im Normalprogramm
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Haupt-
1 Am selben Tag schreibt Th. B. an Burgel Zeeh: »Ich war doch recht unvorsichtig, meine Kalamität zu erwähnen, aber über alles herrscht eben der schwache Menschenkopf doch nicht und so ist es passiert mit der Mitteilung, dass ich krank sei. Tatsächlich war über ein Jahr gesucht worden von den verschiedensten Kapazitäten und ganz natürlich, haben die verschiedensten Kapazitäten den Kern der Sache nicht gefunden – bis mein Bruder genau diesen Punkt traf. Nun haben wir genau am 9. Feber mit der sogenannten gezielten Behandlung eingesetzt und haben genau den erhofften Erfolg, das heisst, die Bestätigung, dass wir genau getroffen haben, was wir treffen wollten. Ich glaube, das Rennen ist gelaufen und, abgesehen von der Genauigkeit der Behandlung, werden wir das Böse vertreiben, die Krankheit ist voll auf der Flucht und der Thomas Bernhard fühlt sich wie neugeboren, so, als hätte er schon jahrelang keine Ahnung mehr gehabt, wie angenehm leben ist, wie gut es tut, er atmet aufeinmal wieder tief durch und will dieses Durchatmen sich für die nächsten zehn Jahre mindestens erhalten.
Das Angenehme ist ja, zu wissen, dass ich vor dreizehn Jahren dieselbe Behandlung gehabt habe und dann eben weit über zehn Jahre Ruhe gewesen ist, so sollte es auch jetzt sein und kommen.«
[425]
Ohlsdorf
28. Feber 81
Lieber Doktor Unseld,
zwei Besucher, die ich in den letzten Tagen hier im Hause gehabt habe, machen es mir unmöglich, den folgenden Brief nicht zu schreiben und es ist mir tatsächlich die grösste Überwindung.
Herr Rach, den Sie für Juli als Leiter Ihres Theaterverlages angekündigt haben, 1 hat mir, wie Sie wissen, die ganze Zeit, die er schon im Theaterverlag Suhrkamp tätig gewesen ist, nur geschadet und wenn ich an die Theaterauffassung dieses Mannes denke, stehen mir die Haare zu Berge. Herr Rach ist, was das Theater betrifft, ein absoluter Dummkopf und dazu ist der Charakter des Herrn Rach, wie ich aus eigener Erfahrung weiss, auch ein geradezu deprimierender. Aber diese Dinge habe ich Ihnen alle schon gesagt und sie hatten, wie ich jetzt sehe, keinerlei Wirkung auf Sie, denn sonst hätten Sie nicht wieder Herrn Rach für Ihren Theaterverlag bestimmt.
Nun tritt Herr Rach, wie ich beweisen kann, überall als mein Feind auf und versucht, meine Arbeit und dadurch mich selbst, wohin er auch kommt, herunterzumachen. Er betritt die Theater und verbreitet seine Abneigung und Feindschaft, wie es ihm ganz entspricht, auf die gemeine hinterhältige Weise, ohne allerdings zu ahnen, dass seine Agitation nicht unter seinesgleichen bleibt und er damit ja nur weitermalt an seinem dubiosen
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