Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld
Tag ausgiebig und völlig ungestört von irgendeinem dritten Menschen grundlegend über unsere Zukunft unterhalten, mit allen Gedanken und Papieren. Mein Quartier weiss das Schauspielhaus Bochum.
Herzlich
Thomas Bernhard
[429; Anschrift: Ohlsdorf]
Frankfurt am Main
9. März 1981
Lieber Thomas Bernhard,
haben Sie Dank für Ihren Brief vom 6. März. Es ist wirklich das Vernünftigste, daß wir uns »mit allen Gedanken, Papieren und Ziffern« in Ruhe zu einem Gespräch finden. Wenn es Ihnen recht ist, komme ich am Mittwoch, dem 25. März, nachmittags nach Bochum; wir könnten uns von 17 Uhr an treffen. Ich kann Ihnen den ganzen Nachmittag, den Abend, die Nacht und, wenn Sie wollen, auch am nächsten Tag zur Verfügung stehen.
Herzliche Grüße
Ihr
[Siegfried Unseld]
[430; Anschrift: Ohlsdorf, Telegrammnotiz]
Frankfurt am Main
10. März 1981
»Am Ziel«-Vertrag aus Salzburg unterschrieben eingetroffen. Herzlich Ihr Siegfried Unseld
[431; handschriftlich; Ansichtskarte: »Istanbul, Blaue Moschee«]
[Istanbul]
13. 3. 81
ich schlage den 26 . in Bochum vor.
Herzlich
Thomas B.
[432; Telex]
Bad Ischl
[Vor dem 24. März]
25. bochum hotel ueber schauspielhaus 1
herzlich bernhard
1 Das Treffen zwischen Th. B. und S. U. findet am 25. März 1981 statt. Zu den Unterlagen, die S. U. zu der Begegnung mitbringt, gehört eine Aufstellung über die Verkaufszahlen aller Bücher von Th. B. vom jeweiligen Erscheinungsdatum bis Ende 1980. Daraus geht hervor, daß bis zu diesem Zeitpunkt von all seinen Büchern im deutschen Sprachraum 312 855 Exemplare verkauft worden sind. Über das Treffen schreibt S. U. im Reisebericht Bochum / Bonn, 25.-27. März 1981 :
»Das Gespräch dauerte fünfeinhalb Stunden.
Die generelle Situation: Er, der vielfach erklärt habe, es sei ihm egal, ob man für seine Bücher werbe oder nicht, leide förmlich unter der Suhrkamp-Anzeigenflut jener Werke und Autoren, die er letztlich als Epigonen seiner selbst ansehen müßte. Seine Bücher würden vom Verlag in die Welt gesetzt, sie würden ein bißchen besprochen, ein bißchen gelesen und verkauft, und dann sei aus und ›basta‹. […]
Seine zweite Klage: er erfahre nichts von uns, was natürlich eine horrende Übertreibung ist, wenn man bedenkt, daß er nie wünschte, irgendeine Rezension zugeschickt zu bekommen. Aber er möchte das Außergewöhnliche hören. Zum Beispiel liegt ihm sehr viel daran, zu beobachten, welche Wirkung er im Ausland habe. […] Für ihn ist das wichtigste Produktionsmittel die Bibliothek Suhrkamp. Das sei seine Reihe. Hier gehöre er hin, dafür schreibe er. Ich hätte ihm in einem Brief mitgeteilt, daß ›Über allen Gipfeln ist Ruh‹ im März erscheinen würde, und nun habe er in einer Bochumer Buchhandlung unseren BS-Märzaushänger gelesen, und auf ihm sei sein Titel nicht verzeichnet. (Erscheint im April, mit Telex erl[edigt].)
Dann Rudolf Rach. Rudolf Rach, wie früher Karlheinz Braun, möge seine Stücke nicht, dafür hätte er viele Belege. Das Verhalten von Rudolf Rach in den USA sei doch ziemlich skandalös gewesen; für jemand, der eine Sache vertreten müßte, leichtfertig. Es war ein schwieriges Gespräch, dessen Details ich gar nicht wiederholen kann.
Schließlich das Finanzielle. Seine Konten sind ja mehr oder weniger ausgeglichen trotz der hohen Zahlungen, die er von uns bekommen hat. Und darüber war er ganz zufrieden. Er hatte sich addiert, welche Summen für die Fernsehsendungen ›Weltverbesserer‹ und ›Präsident‹ einerseits und ›Am Ziel‹ andererseits zusammenkommen werden (ca. 90 000 DM) und rundete dann diese Summe auf 100 000 DM auf, die er sich von uns wünschte. Daß ich diesen Scheck bei mir hatte, erfreute ihn, und wir traten dann wieder in die Erörterung der einzelnen Punkte ein. Er übergibt uns an Ostern sein neues Manuskript ›Krieg‹, Untertitel ›Verletzungen‹. Drei Kapitel, nicht mehr als 60 Seiten, man sollte sich, was Typographie und Aufmachung betrifft, an den Residenz-Bänden orientieren. Und er wünscht sich Anzeigen und ein besonderes Engagement des Verlages.
Wir besprachen dann noch einmal die Theatersituation. Rudolf Rach soll eine Chance gegeben werden, zu beweisen, daß er kein ›Feind‹ ist und für die Stücke Bernhards eintreten kann. Rach wird also auch im Theaterverlag die Sache Thomas Bernhard verantworten. Jedoch mußte ich mich zu einer Kommunikation mit Rach bei wichtigen Entscheidungen in Sachen Bernhard
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