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Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld

Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld

Titel: Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimund Fellinger
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die ja nicht kleine Honorarforderung, sondern eine gewerkschaftliche Forderung. Das ORF sollte mit jedem einzelnen Techniker Verträge abschließen für diese Aufzeichnung, in denen alles geregelt sein müßte: Bezahlung der Überstunden, Versicherung etc. Das wäre bei Bernhard vielleicht noch möglich gewesen, aber im Falle einer Opern-Aufzeichnung hätte man da mit Hunderten von Technikern Verträge abschließen müssen.
Und er war auch informiert über die Aufführung von ›Eve of Retirement‹ (›Vor dem Ruhestand‹) in der Regie von Liviu Ciulei im Guthrie Theatre, dem gegenwärtig besten amerikanischen Theater, in Minneapolis. Es freue ihn auch, weil es Rudolf Rach ins Unrecht setze, der das nie für möglich gehalten habe. Nun, er habe sich ja mit seinem ›Todfeind‹ wieder versöhnt. Aber da sind Reste noch vorhanden. Er wußte nicht, ob er rüberfahren wolle. Interessieren würde es ihn schon.
Warum habe er mir nicht sein Manuskript ›Krieg. Verletzungen‹ geschickt? Die Sache sei fertig, so gut wie fertig, aber der Text dürfe nicht so rasch nach der ›Kälte‹ erscheinen. Irgendwie mache man sich auch lächerlich, wenn man zu schnell produziert.
Das war natürlich für mich das Stichwort: Alles oder Nichts. Ich war auf alles gefaßt, ich sollte ihn ja überzeugen, den Band ›Alles oder Nichts‹ mit den sieben Dramoletten nicht zu bringen, und war notfalls zur wirklichen Verweigerung bereit, bereit auch, alle Konsequenzen, die persönlichen, die verlagsbetreffenden, die öffentlichen auf mich zu nehmen. Das, was sich ereignete, spielte sich in einer einzigen Minute ab, und ich meine, Thomas Bernhard hat mich doch beschämt. S. U.: Ja, Sie haben recht, man sollte nicht zuviel produzieren. Th. B.: Ja, man macht sich lächerlich. S. U.: Wir haben drei große Titel in diesem Jahr in der BS, ›Über allen Gipfeln ist Ruh‹, ›Am Ziel‹, und dann wollen wir unbedingt die Gedichte ›Ave Vergil‹ bringen. Th. B.: Wollen Sie das? S. U.: Das will ich. Aber ich möchte Ihnen vorschlagen, auf die Veröffentlichung des Buches mit den Dramoletten zu verzichten. – Pause. – Th. B.: Was haben Sie gesagt? Ich wiederholte meine Äußerung. – Pause. – Th. B.: Warum? S. U.: Der künstlerische Abstand gegenüber Ihren großen Stücken ist zu groß. Th. B.: Ja, dann machen wir das nicht. – Pause. – Th. B.: Man soll ja auch nichts machen, was man nach einem halben Jahr bereut.
Ich mißverstand ihn. S. U.: In einem halben Jahr kann man alles noch einmal überdenken. Th. B.: Nein, man soll kein Buch machen, das man bereut. – Pause. – Th. B.: Nein, es ist gut, daß man Nein sagen kann. – Pause. – Th. B.: Man muß Charakter haben, auf etwas bestehen, aber nicht starr sein, bereit sein zum Einsehen, zum Ändern. – Pause. – Th. B.: Peymann probt ja schon. Er macht es nicht selbst, um der Sache keine allzu große Wichtigkeit zu geben. Und man kann es leicht kabarettistisch machen. Und Peymann kann ja einige oder alle Dramolette im Programmheft drucken. Dann ist der Text ja da und nicht da. Die Texte müssen als ›vorübergehend‹ angesehen werden. Das Vorübergehende ist wichtig.
Wir kamen während des ganzen Tages auf diesen Punkt nicht zurück. Ich war ebenso beschämt wie erleichtert. Alles oder Nichts. Welcher Kelch ist da an mir und am Verlag vorübergegangen [ Der deutsche Mittagstisch mit sieben Dramoletten erscheint 1988 als Band 1480 in der edition suhrkamp.]. Wir beide waren uns dessen vollkommen bewußt, gerade weil wir an diesem Tag nie mehr von diesem Punkt sprachen. Natürlich darf man sich über alles Freundschaftliche dieses Tages hinaus nicht täuschen. Jede Zeile, die Bernhard geschrieben hat, steht ihm näher als die Beziehung zu mir. Er ist eben für alles oder nichts. ›Wahrscheinlich hat unser dramatischer Schriftsteller auch ein schlechtes Gewissen.‹ (›Am Ziel‹, S. 70) [Th. B.: Werke 18 , S. 306.]
Als das so gesprochen war, blieb natürlich die Spannung, was sich wohl im Laufe des Tages noch ergeben würde. Wir wechselten das Lokal, spazierten durch das touristenerfüllte Salzburg und suchten den nächsten Café-Garten auf. Wieder die Situation, daß Leute mich begrüßten, der Autor Dr. Pohl vom Nomos-Verlag.
Jetzt konnten wir die weiteren Dinge regeln; er hat zwei Prosa-Arbeiten fertig, ›Krieg-Verletzungen‹ und ›Der Sohn‹. Im Februar 1982 werden wir entscheiden, was im Herbst gebracht werden sollte. ›Über allen

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