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Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld

Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld

Titel: Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimund Fellinger
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verpflichten. […]
Wir diskutierten noch einmal die vier bei Residenz erschienenen autobiographischen Bände. Noch einmal bekräftigten wir, daß er einen fünften und sechsten Band dazu schriebe und wir dann einen Band ›Kindheit und Jugend‹ herausbringen würden. Auch dies in Form einer Gesamtausgabe, die wir ja mit dem Band ›Die Erzählungen‹ begonnen haben.
Im 1. Halbjahr 1982 kann im Hauptprogramm ein schmaler Band erscheinen ›Für Schauspieler‹. Es sind Einübungstexte. [Siehe Anm. 1 zu Brief 9.] Im Herbst 1982 erschiene der Roman ›Der Sohn‹, den Roman ›Unruhe‹ [Beide Titel zieht Bernhard für den Roman in Erwägung, der den definitiven Titel Auslöschung erhält.] habe er für Herbst 1983 vorgesehen.
[…] Seine Korrekturen und Imprimatur des BS-Bandes ›Am Ziel‹ übergab er mir.
Wir verabschiedeten uns, indem wir verblieben, daß der Brief vom 28. Februar aufgehoben sei und nur der vorangegangene gelte.«

[433]
     
    Ohlsdorf
    21. 6. 81
    Lieber Siegfried Unseld,
    Sie haben sich für die heutige Rückkehr nach Frankfurt einen Jubeltag für ein neues Frankreich ausgesucht und ich hoffe, Sie geniessen diese Tatsache bis spät in die Nacht hinein und wünschen insgeheim Herrn Mitterrand alles Gute. 1
    Während in der menschlichen Phantasie jeden Tag und jede Stunde eine neue Welt entsteht, wenn wir wollen, kommt es in der Politik auf eine solche strahlende Weise nur ein paarmal in einem Jahrhundert vor. Hier sehen wir deutlich die Schwerfälligkeit der Erdoberfläche.
    Vor vierzehn Tagen in Wien habe ich jenes Gedicht gefunden, mit welchem ich 1960 das Gedichtschreiben aufgehört habe, endgültig. Neunundfünfzig und sechzig war ich in London und in Italien und in diesen Ländern ist dieses »Ave Vergil« entstanden. Ich schicke es Ihnen als Herbstwunsch in der BS. Es ist vollkommen meine damalige Verfassung. Es ist ein einziges Gedicht und fortlaufend zu lesen.
    »Krieg« folgt in den nächsten Tagen.
    Wir sollten französisch denken, wenn wir (notgedrungen) deutsch sprechen und französisch sprechen, wenn wir (notgedrungen) deutsch denken.
    Mit Frau Zeeh hatte ich den allerbesten Kontakt.
    Sehr zu Ihrem Vorteil
    Ihr heute einmal wieder grössenwahnsinniger
    Thomas B.
    1   S. U. kommt am Abend des 20. Juni von einem vierwöchigen Französisch-Intensiv-Kurs in Grimaud zurück. Der am 10. Mai 1981 zum französischen Staatspräsidenten gewählte François Mitterrand löst am 22. Mai per Dekret die Nationalversammlung auf. Beim zweiten Wahlgang am 21. Juni erringt seine sozialistische Partei mit 49,28% die absolute Mehrheit der Mandate.

[434; Anschrift: Ohlsdorf]
     
    Frankfurt am Main
    3. Juli 1981
    Lieber Thomas Bernhard,
    ich finde, auch wir sollten uns bald treffen, nicht später als August. Wo halten Sie sich auf?
    Ich würde gerne noch einmal über die Gedichte mit Ihnen sprechen. Sollte man nicht eher an den Plan einer Sammlung denken?
    Dann warte ich dringlich auf das Manuskript »Krieg. Verletzungen«. Und dann erinnere ich daran, daß wir für 1982 den Band »Kindheit und Jugend« überlegt hatten. Bitte, lassen Sie von sich hören. 1
    Herzliche Grüße
    Ihr
    Siegfried Unseld
    P. S.: Ein erstes Exemplar »Am Ziel« geht mit getrennter Post an Sie ab! 2
    1   Man trifft sich am 7. August 1981. In der Chronik erzählt S. U. von der Begegnung unter dem Titel Salzburg, 7. August 1981 :
»Noch nie hatte ich mich auf einen Besuch bei Thomas Bernhard so vorbereitet wie auf diesen. Am Vorabend Lektüre des Gedichtzyklus ›Ave Vergil‹, Lektüre der letzten Reiseberichte, um Äußerungen von ihm und die Atmosphäre früherer Begegnungen wieder deutlich in Erinnerung zu rufen, obschon die Begegnungen mit Bernhard ja alle irgendwie in meinem Gedächtnis unauslöschlich sind. Das Problem dieses Besuches, von dem Bernhard mutmaßlich nichts ahnte:
Bernhard und Rach hatten sich in Wien ›ausgesöhnt‹ (in Salzburg sagte er mir, er habe sich mit seinem ›Todfeind‹ wieder versöhnt), und in diesem Wiener Gespräch entstand der Gedanke, die kleinen Dramolette, die Bernhard geschrieben und verstreut veröffentlicht hat, in einem suhrkamp taschenbuch zu sammeln und herauszugeben. Darunter war ›Alles oder Nichts‹; ich kann mir nicht vorstellen, daß Rach das vor diesem Gespräch gelesen hat, er machte mich auch nicht auf die Problematik des Stückes aufmerksam, das blieb Frau Laux überlassen. Und als ich dann den Text in ›Theater heute‹ [Heft 5, Mai 1981, S. 5-9] gelesen

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