Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld
Lassen wir die anderen reden und schwätzen.
Ich kann es sicherlich auch einrichten, Sie im Juni oder Juli zu besuchen.
Die beste Nachricht: Thomas Bernhard arbeitet, und sein Verlag erwartet in aller Ruhe das Ergebnis, um es zu wirklichen Früchten zu bringen.
Herzliche Grüße
— und baden Sie fleißig —
Ihr
Siegfried Unseld
[67; Telegramm]
Wien
26. 3. 69
bin in wien = thomas bernhard
[68]
Ohlsdorf
9. 4. 69
Lieber Herr Dr. Unseld,
vor über vierzehn Tagen schrieb ich der Buchhaltung der Verlage, sie möchten mir umgehendst, d. h. sofort die Kontoauszüge für 68 schicken, da ich sie augenblicklich brauche, sehr höflich, flehend – bis heute habe ich nicht einmal eine Antwort und ich muss Ihnen selber schreiben, weil mir der Steuerberater jetzt eine endgültige Frist bis 14. 4. gestellt hat, will ich nicht scheussliche Scherereien haben. Ich kann (mein Brief war ausserdem ein Expressbrief!) die Scheusslichkeit, mit der man mich im Stich lässt, nicht kommentieren. Genug, dass ich mich mit dem Finanzministerium herumschlage, das gleiche will ich nicht auch mit Ihrer Buchhaltung.
P. S. des Schriftstellers: ich bin mit dem Roman fertig, aber erscheinen wird er erst im nächsten Jahr, ich will mir nicht durch vorschnelle Verrücktheit im blödesten Augenblick alle Wasser abgraben, alle gleichzeitig nämlich. Mein Programm sieht folgendermassen aus und es wünscht die Akzeptation des Verlegers:
1. Im Oktober: »Watten«, Erzählung, Umfang etwa wie »Amras« in der edition
2. im Winter bitte ich den »Boris« in der edition zu drucken,
3. im nächsten Frühjahr, ebenfalls in der edition einen Band Prosastücke, vergleichbar dem Band »Prosa«.
4. kann dann, wenn das Stück ein Erfolg war oder durchgefallen ist, auf beides mache ich mich gefasst, beides trifft und stört mich nicht, ist auch dann vergessen, im Herbst 70 der Roman erscheinen. Das Manus liegt gut bei mir und ist bis Ende 69 tabu. Zu diesem Zeitpunkt kann es dann für Herbst 70 gut vorbereitet werden.
Ich denke mit Schrecken an das völlige Verpuffen der »Verstörung«, Sie wissen ja, wie die völlig zu Unrecht, in der Versenkung verschwunden ist, mit allen ihren phantastischen Kritiken usf., weil das Augenmerk gefehlt hat.
Das ist kein Vorwurf, und doch einer, aber nur in der Richtung meiner Schulden beim Verlag, die ich auf die Art und Weise wie die »Verstörung« verschenkt worden ist, niemals abzahlen werde können. Was ich aber brauche, ist Unabhängigkeit finanzieller Natur, Abtragen der Schulden, dazu muss aber etwas getan werden, wenn ich nur arbeite und dann und wann um lächerlichen Vorschuss zu »betteln« gezwungen bin, ist jede Veröffentlichung für mich uninteressant. Für den schönen Augenblick allein ein gutgemachtes Buch in der Hand zu haben, der zwei drei Tage wenns glücklich zugeht, anhält, ist mir die grobe Arbeit meines Gehirns zu? hier fällt mir das passende Wort nicht ein. Aber, ist jemals einem Schriftsteller irgendwann einmal das passende Wort an der passenden Stelle eingefallen? Nein, keinem. Alle Wörter aller Schriftsteller sind falsch gesetzte, jedes einzelne Ausdruck ihrer (beider) totalen Verlegenheit.
Ich hüte mich, noch eine Phrase anzuhängen.
Ich grüsse Sie, ich bin glücklich
Ihr
Thomas Bernhard
[69; Anschrift: Ohlsdorf]
Frankfurt am Main
17. April 1969
Lieber Herr Bernhard,
Ihr Brief vom 9. April ist gestern, 16. 4., bei mir eingegangen. Ich weiß nicht, warum er so lange brauchte. Die Abrechnung erhalten Sie in dieser Woche, d. h., sie geht noch in dieser Woche hier ab. Vorher war es leider nicht zu schaffen. In der 2. Hälfte dieses Jahres wollen wir die Abrechnungen der Insel dann über die elektronische Datenverarbeitungsanlage laufen lassen. Ich hoffe, dann geht die Sache schneller.
Jedes Finanzamt der Welt würde in einem Fall wie dem Ihren zu Stunden- und Ratenzahlungen bereit sein. Das muß also möglich sein.
Wenn Sie nur einmal die Klagen wegen der »Verstörung« lassen könnten. Ich könnte ja auch immer sagen, weil Sie gegen meinen Widerstand diesen Titel bestimmt haben, kann dieses Buch kein Erfolg sein, kein »Markt«-Erfolg sein. Literarische Anerkennung haben Sie ja erhalten, und im übrigen kommt dann im August die Ausgabe in der BS. Mehr kann ich in diesem Falle nicht für Sie tun.
»Watten« ist in der »es« definitiv für November (Band 353) vorgesehen. »Ein Fest für Boris« konnten wir noch nicht fest in die
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