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Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld

Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld

Titel: Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimund Fellinger
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Reise um die Welt , hg. von Gerhard Steiner, erscheint 1967, Band II: Ansichten vom Niederrhein und andere Schriften erscheint 1968 im Insel Verlag. Am Rande des Absatzes findet sich in der Verlagskopie des Briefs der handschriftliche Vermerk von Burgel Geisler »erl[edigt].«.

[72]
     
    Ohlsdorf
    23. 6. 69
    Lieber Doktor Unseld,
    einen Abstecher von zwei Tagen nach Frankfurt zu machen, weil ich glaube, dass ich einmal meinen Verleger wieder von Angesicht zu Angesicht sehen muss, sein neues Haus, die Lektoren etcetera, wäre mir vor dem 20. Juli recht, ich würde am 17. in Frankfurt ankommen und am 19. abends wieder wegfahren, vorausgesetzt, dass mich der Verlag tatsächlich auf seine Kosten fahren lässt, ich selbst habe kein Geld für einen derartigen Ausflug.
    Ich halte es für besser, zu reden, als zu korrespondieren, denn in der Korrespondenz kreuzen sich seit Jahrtausenden die Missverständnisse, wie Sie wissen.
    Was mit dem »Boris« ist et cetera und überhaupt.
    Heute ist mir eingefallen, ob der Verlag nicht den toten »Frost« wiederauferstehen lassen könnte in einer nützlichen Form. Das Buch ist jahrelang eine Leiche, die es nicht verdient, etc. Ein junger Mann dissertiert heuer über meine Arbeit und ich habe eine wunderbare Arbeit von ihm über »Ungenach« bekommen, Grundlage, Ausgangspunkt seiner Dissertation, eine geglückte Seminararbeit. 1 Eine Doktorin in Wien dissertiert an der dortigen Uni über »Die Begriffe aus der Welt des Theaters in Th. B.s Verstörung«. 2 Und gestern abend hörte ich eine einstündige Diskussion im Radio, das ich selten aufdrehe, in welcher beinahe nur über »Frost« geredet worden ist und mehrere Universitätsprofessoren schliesslich darüber stritten, ob Homer oder Th. B. mehr gewusst hat. |Unsinn.|
    Das freut mich natürlich und es ist ganz gut, dabei hier zu sein und sich um nichts andres zu kümmern als über das mir am nächsten liegende Buch, nämlich »Watten«.
    Ich werde »Watten« mitbringen.
    Es ist unbedingt notwendig, dass ich nach Frankfurt komme, weil eine Reihe Unklarheiten geklärt werden müssen, soweit sie sich klären lassen.
    Auch bitte ich Sie jetzt einmal endgültig darüber nachzudenken, ob ich gegen den Winter zu eine Amerikareise machen kann, die mich nichts kostet. November, Dezember wäre Zeit dazu.
    Ich freue mich
    herzlich
    Thomas Bernhard
    1   An Hedwig Stavianicek schreibt Th. B. am 17. Juni 1969: »Ein Herr Höller dissertiert über mich an der Salzburger Universität und hat ein Manus der Arbeit geschickt, die mir ausgezeichnet gefällt, in meinem Sinne ist, gescheit, poetisch, unbekümmert um den faulen widerwärtigen Zeitgeschmack.« Die Dissertation wird 1973 angenommen und 1979 unter dem Titel Kritik einer literarischen Form. Versuch über Thomas Bernhard veröffentlicht.
    2   Inez Kykal: Der Wortschatz aus dem Bereich des Theaters in Thomas Bernhards »Verstörung« . Unpublizierte Seminararbeit der Universität Linz.

[73]
     
    Ohlsdorf
    1. 7. 69
    Lieber Doktor Unseld,
    ich bin in Schwung gekommen und eine Deutschlandreise kommt nicht in Frage, auch streiche ich den Wunsch, nach Amerika zu fahren, den ich in meinem letzten Brief angedeutet habe.
    Wird Basel den »Boris« aufführen? 1
    Ich will mein neues Stück fertig haben, wenn das erste herauskommt.
    Meine Kunst, dem Finanzamt gegenüber, habe ich ein halbes Jahr gut einsetzen können, jetzt aber ist sie am Ende und ich muss Sie bitten, mir 3.000.— Mark, mir fällt das Wort express schwer, aber, wenn es geht, noch diese Woche zu schicken!! (Dreitausend).
    Sie schrieben, dass Sie im Sommer gern hierher eine Reise machten, Sie sind jederzeit willkommen, das wissen Sie.
    Herzlich Ihr
    Thomas Bernhard

    P. S.: Wieder werden Sie auf die Probe gestellt, aber ich werde auch jeden Tag auf die Probe gestellt. 2
    1   An den Rand dieses Absatzes notiert S. U. handschriftlich: »übernächste Spielzeit, nach H[ambur]g evtl. S[tutt]gart. Mü[nchen].«
    2   Unter das P. S. notiert S. U. handschriftlich: »Ms. Watten«.

[74; Anschrift: Ohlsdorf]
     
    Frankfurt am Main
    2. Juli 1969
    Lieber Herr Bernhard,
    Sie haben schon recht, man hat mit der Korrespondenz und ihrer Wortfixierung manchmal Schwierigkeiten. Doch ich sehe Sie wirklich gern, und ich finde, wir haben einiges zu bereden, Selbstverständliches und Darüberhinausgehendes.
    Ich bin also gern damit einverstanden, daß Sie auf Kosten des Verlages am 17. Juli nach Frankfurt kommen. Wollen Sie

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