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Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld

Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld

Titel: Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimund Fellinger
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Planung November 69-April 70 aufnehmen, weil der Aufführungsbeginn noch nicht feststeht und der Text ja keinesfalls vor der Aufführung erscheinen soll. Wir haben es so gemacht: wir haben das Stück für Mai 70 ins Programm aufgenommen (Band 390). Je nach Aufführungstermin können wir dann den Erscheinungstermin des Stückes vorziehen.
    Ich nehme gerne zur Kenntnis, daß wir dann im Frühsommer einen weiteren Prosaband für die edition zur Verfügung haben. Ich mache das gerne. Den Roman wollen wir dann in Ruhe für Herbst 1970 vorbereiten. Es ist mir sehr angenehm, wenn wir das Manuskript im Januar oder Februar 70 haben werden.
    Mit freundlichen Grüßen
    Ihr
    Siegfried Unseld

[70]
     
    Ohlsdorf
    11. 5. 69
    Lieber Doktor Unseld,
    ich bin in so guter Stimmung, dass ich Ihnen schreiben muss, forschen Sie nicht nach dem Grund, ich weiss es nicht. Und dann habe ich das Gefühl, möglicherweise habe ich Sie mit einem meiner Forderungsbriefe verstimmt. Verstimmung kann ich aber jetzt nicht brauchen.
    Aber manchmal ist es einfach das Ordnungmachen, das die Maschine zur rüden Schrift degradiert.
    Ich gehe mit einem Theaterstück im Kopf herum und schön wärs, wenn ich damit bis zur Premiere in Hamburg über die Runden käme, unbeeinflusst von den Gazettenaffen.
    Auch haben Sie geäussert, Sie möchten einmal herkommen, ich lade Sie am herzlichsten ein, das ist alles.
    Ich freue mich auf die Bibliothek. (»Verstörung«.)
    Im Grunde bin ich kein Geldgieriger.
    Aber das wissen Sie doch.
    Überhaupt ist mir Geld wurscht, wenn ich das notwendigste habe. Mehr brauche ich nicht und ist mit tatsächlich lästig. Ruhe brauche ich, Ruhe habe ich. (Ein Greisen- und Kinderlied.) Ihr Verlag ist der schönste und er mag wieder ganz Verlag sein, wünsche ich.
    Es ist so vieles unsinnig, zum heulen, aber ich heule nicht, verachte nur. Und spotte für mich.
    Wenn es ausser dem ersten noch Georgforsterbände gibt, so hätte ich (den) die gern.
    Und andre Bücher, ich bin der Unbescheidenste, wie Sie auch wissen.
    Unser beider Fahrplan steht ja fest.
    Wissen Sie, dass ich gern lebe, gern reise, gern gut esse und nichts mehr liebe als die guten Schriftsteller. Darum habe ich so wenig Liebe in der Brust.
    Begeistert bin ich vom Kropotkin gewesen!!! 1 Es schreiben fast lauter Mäuse, Literatur wird geknabbert. Pfui Teufel.
    Und ich weiss noch immer nicht, warum ich Ihnen heute schreibe. Es gibt keinen äusseren Grund.
    Und nächstesmal schreiben Sie mir bitte wieder »herzlich« und nicht »mit freundlichen Grüssen«, die ich zutiefst verabscheue.
    Ihr zutiefster
    Thomas Bernhard

    P. S. 1: Meine Lektorin A. B. ist der Pfahl, an den ich Schaf mich gern, meine ganze Schriftstellerei, anbinde.
    P. S. 2: Unsere Literatur zum Grossteil und auch so vieles, das Sie machen, ist, ich hänge mich selber vor Ihnen ganz hoch auf, eine unendliche Leiche ohne Philosophie und ohne Poesie und ohne den geringsten Geschmack und Verstand.
    (Das müssen Sie nicht unterschreiben!)
    1   In der Bibliothek von Th. B. erhalten hat sich der 1969 im Insel Verlag erschienene Band Petr Kropotkin: Memoiren eines Revolutionärs . Autorisierte Übersetzung von Max Pannwitz (zuerst 1889 publiziert). Das Buch hat als Lektüre Konrads einen großen Auftritt im gerade entstehenden Roman Das Kalkwerk : 76mal schreibt Th. B. den Namen nieder – und ersetzt den von Lermontov (siehe Th. B.: Werke 3 , vor allem S. 238ff.).

[71; Anschrift: Ohlsdorf]
     
    Frankfurt am Main
    21. Mai 1969
    Lieber Herr Bernhard,
    herzlichen Dank für Ihren Brief vom 11. Mai. Wie gerne würde ich jetzt zu Ihnen kommen, Sie besuchen und mit Ihnen reden und auch sonst noch schöne Dinge tun; durch den Bildschirm kenne ich ja nun die Besitzung. Doch komme ich im Moment nicht von meinem Schreibtisch weg. Für Anfang Juni stehen uns die Vertreter ins Haus, und wir sind über und über mit den Vorbereitungen dafür eingedeckt. Danach muß ich für einige Zeit verreisen, aber in der zweiten Junihälfte bin ich dann etwas freier. Vielleicht können wir uns im Sommer einmal sehen. Oder möchten Sie nach Frankfurt kommen? Falls Sie das reizt, so lassen Sie es mich wissen, damit wir einen uns beiden angenehmen Termin vereinbaren können. Von Georg Forster ist noch ein 2. Band erschienen, den lasse ich Ihnen gerne zugehen. 1 Sonst ist es mit Literatur, mit Philosophie und mit Poesie schlecht bestellt.
    Herzliche Grüße
    Ihr
    Siegfried Unseld
    1   Georg Forster: Werke I-IV , Band 1:

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