Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld
Gerlind Reinshagen, Martin Sperr, Dieter Waldmann, Konrad Wünsche, Joachim Ziem (ihre Theaterstücke werden bis dahin vom Suhrkamp Theaterverlag vertrieben) sowie Bazon Brock, Wolfgang Deichsel, Günter Herburger und Erika Runge und beschließen, den ersten deutschen Verlag auf genossenschaftlicher Basis zu gründen. Karlheinz Braun und Wolfgang Wiens formulieren eine »Verfassung des Verlags der Autoren«: »Der ›Verlag der Autoren‹ ist gegründet von seinen Autoren; er ist Eigentum seiner Mitglieder. Mitglieder sind die Autoren und die Angestellten des Verlages. Die Mitglieder bestimmen den Verlag. (Die Produzenten arbeiten in eigener Sache, in eigener Verantwortung und in die eigene Tasche.) Im Verlag der Autoren gibt es keinen ›Verleger‹. Die Geschäfte des Verlages führen ›Delegierte‹, die von den Mitgliedern auf jeweils drei Jahre gewählt werden. [. . .] Die Autoren erhalten wie in jedem anderen Verlag ihre Tantiemen; die Delegierten und die Angestellten ihre Gehälter. Darüber hinaus wird der Gewinn des Verlages auf seine Mitglieder verteilt.« ( Das Buch vom Verlag der Autoren , S. 19ff.) Am 1. April 1969 nimmt der Verlag in der Form einer GmbH & Co KG seine Arbeit auf.
[64; Anschrift: Ohlsdorf; Telegramm]
Frankfurt am Main
14. März 1969
habe eben vertrag mit dem deutschen schauspielhaus unterzeichnet wünschen wir uns eine erfolgreiche bühnenrealisierung. 1
herzliche grüsse ihr siegfried unseld
1 Auf der von Burgel Geisler niedergeschriebenen Telegrammnotiz findet sich von ihrer Hand die Anmerkung: »lt. Anruf der Nachforschungsstelle ist das Telegramm unzustellbar, da Th. B. für 3 Wochen verreist ist. 17. 3. 69«. Th. B. verbringt mit Hedwig Stavianicek die Zeit zwischen dem 13. und dem 24. März 1969 in Lovran.
[65]
Opatija/Jugoslawien
Hotel Atlantik
14. 3. 69
Lieber Dr. Unseld,
wie mir Frau Dr. Botond (hier wäre allerhand Grundsätzliches über die ungeheure Qualität dieser Frau als Institution anzuschliessen, was ich aber unterlasse, weil mir Loben in absoluten Wertkategorien das fürchterlichste ist, das es gibt) schreibt, hatten Sie die Absicht, mich um den 1. April in Ohlsdorf zu besuchen. 1 Da ich die Sache nicht als Aprilscherz sondern als ein ganz und gar ausserordentliches und mich aufs Idealste ermunterndes Ereignis betrachtete und auch anschaue, ist die Tatsache, dass ich zu diesem Zeitpunkt nicht in Ohlsdorf bin, fatal fürchterlich. Nicht ganz so allerdings, wenn Sie jetzt wissen, dass ich mit dem Roman auf dem Buckel ans Meer geflüchtet bin und die besten Voraussetzungen, das Buch weiter und zu Ende zu bringen, hier im schlechtesten Wetter bei kahlen Felsen und in herrlicher Salzluft, gefunden habe.
Konkret: den Roman hoffe ich endgültig bis Ende Mai »umgebracht« zu haben. Es geht ja immer darum, ein Ungeheuer zu töten. Da liegt es dann. Dass mein »Boris« auf die Hamburger Bühne steigt, freut mich ganz pflanzlos. Ihnen wünsche ich Ruhe im Haus. Konzentration auf die Bücher.
Aber Sie fahren ja sicher bald wieder einmal in die Bayernberge und von dort ist es nur ein Katzensprung zu mir. Darauf freue ich mich.
Vielleicht finden Sie irgendeine gute Nachricht für mich und schreiben Sie mir die hierher, das wäre, glaube ich, eine gute Idee. Wenn es keine gute Nachricht für mich gibt, erfinden Sie bitte eine.
Herzlich Ihr
Thomas Bernhard
1 Anneliese Botond schreibt Th. B. am 1. März 1969: »[. . .] gestern haben wir Brauns Abschied gefeiert, er residiert schon nächste Woche in seinem eigenen Verlag. Sein letzter Abschluss war: ›Ein Fest für Boris‹, Uraufführung in Hamburg. [. . .] Unseld hat mir aufgetragen, Ihnen zu sagen, dass er um den 1. April nach Ohlsdorf könnte (möchte) und dass er dann am liebsten das Romanmanuskript mitnehmen möchte (kann?).«
[66; Anschrift: Opatija / Jugoslawien; Briefpapier des Insel Verlags]
Frankfurt am Main
21. März 1969
Lieber Herr Bernhard,
herzlichen Dank für Ihren Brief vom 14. März. Als ich am Freitag, dem 14. 3., den Vertrag mit Hamburg unterschrieb, schickte ich Ihnen ein Telegramm, aber es kam als unzustellbar wieder zurück. Jetzt habe ich also Ihre Adresse, und ich wünsche Ihnen sehr, Sie möchten Ihre Arbeit gut weiterführen können. Ich hätte Sie natürlich gerne am 1. April gesehen. Aber es ist wirklich wichtiger, daß Sie arbeiten und schreiben können. Ohnehin scheint mir das ja das Wichtigste zu sein: Produktives zu schaffen.
Weitere Kostenlose Bücher