Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld
Autobiographie überlassen werden, in der Folge sollen dann die Rechte am gesamten Werk von Th. B. im Suhrkamp Verlag versammelt werden; zur Verwirklichung dieses Projekts kommt es nicht. Siehe Kommentar zu Th. B.: Werke 10 , S. 524f.
3 In seiner Chronik schreibt S. U. unter dem Datum des 7. bis 9. Februar:
»Besuch bei Thomas Bernhard in Lissabon bzw. Sintra.
Ein veränderter Thomas Bernhard. Einerseits etwas beängstigend dünn geworden, andererseits in glänzendster Laune. Kaum im Hotel eingetroffen, steht er da und ist noch nach Mitternacht kaum in der Bar des Hotels von seinem Kaffee zu trennen. Am Sonntag besuche ich ihn in Sintra, einem Ort, der wegen seines ungewöhnlich milden Klimas, seiner herrlichen Gärten und seiner üppigen Vegetation Könige und Adel zum Sommersitz verleitete. Inmitten von Sintra der Paseo Real de Sintra mit seinem schönen Schwanen- und Elster-Saal. Aus der Küche ragen zwei konische Küchenschornsteine, die inzwischen zum Wahrzeichen Sintras geworden sind. Bernhard wohnt im Hotel Tivoli, 7. Stock, schönes Zimmer. Wohl aufgeräumt. Auf einem kleinen Tisch Fotos seines Lebensmenschen.
Wir sitzen auf einer riesigen Terrasse, die sich an sein Zimmer anschließt; hier läßt sich in der Tat gut arbeiten.
Mit einem Wagen fahren wir zehn Stunden durch die Gegend, in die Serra de Sintra mit dem Castello dos Mouros.
Bernhard war noch nie im Staatspark von Monserrate, in dem Gewächse aus fast allen Vegetationszonen der Erde zu sehen sind. Man kann dort leben in Quinta de Penha Verde und in dem Palacio de Seteais, einem 5-Sterne-Hotel mit dem bezeichnenden Namen ›Sieben Seufzer‹.
Wir fahren nach Cabo da Rocca. Es ist der westlichste Punkt des europäischen Festlandes. Ein 150 m hoher und steil ins Meer abfallender Fels der Serra de Sintra. Dann an der Küste entlang: Praia do Guincho und an die Boca do Inferno, zur Costa dol Sol. In dem Fischerort Cascais begrüßt Bernhard mitten im Verkehrsgedränge eine alte Frau, die Kramdinge verkauft. Schließlich trinken wir Tee in Estoril, früher wohl das eleganteste und mondänste Seebad Portugals. Nirgendwo in Europa soll es ein milderes Klima geben als hier. Die Blumen blühen zweimal im Jahr.
Abends Verkehrsstau, weil alles nach Lissabon zurück will. Bernhard regt noch einmal ein Abendessen an, und wieder wird es spät.
Montag, 9. Februar: Bernhards 56. Geburtstag. Meinen Seidenschal nimmt er gerne als Geschenk entgegen und trägt ihn den ganzen Vormittag.
Wir sprechen die konkreten Punkte durch, das Prosa-Manuskript ›Neufundland‹, das Theaterstück ›Die Schwerhörigen‹, den autobiographischen Bericht ›Der Zweifel‹. Ich habe das im Reisebericht festgehalten.
Mittagessen im Palacio de Seteais, eine wirkliche Bernhard-Inszenierung: in dem alten, schön ausgestatteten Hotel ein riesiger Speisesaal, die Tische sind mit hochragenden Servietten garniert, alles schön und edel. Wir sind die einzigen Gäste, erst später gesellt sich noch ein Herr dazu, der wie Dürrenmatt aussieht. Die Ober unbeschäftigt, stehen herum, jede Bewegung am Tisch wird beobachtet, kaum hat man einen Schluck Wein oder Wasser getrunken, wird nachgefüllt. Bernhard scheint es zu genießen. Er bedauerte es, als die Stunde des Abflugs schlug.«
In dem in der Chronik angesprochenen Reisebericht Lissabon, 7.-9. Februar 1987 hält S. U. vor allem die mit Th. B. besprochenen Veröffentlichungspläne fest:
»Je weiter man fährt, um ihn zu treffen, desto enger fühlt er sich doch Verlag und Verleger verbunden. Alles, aber auch alles geht nach dem Wunsch der Vernunft.
Das Prosa-Manuskript ›Neufundland‹, im Umfang von ›Holzfällen‹, ist fertig, wird von ihm nach der Rückkehr noch einmal durchgesehen; ich erhalte es am 15. April, also noch so rechtzeitig, um es bei der Vertretersitzung am 22. April vorstellen zu können.
Das Theaterstück ›Die Schwerhörigen‹ werde ich zum selben Zeitpunkt erhalten. Erscheinungstermin in der Bibliothek Suhrkamp Oktober / November 1987, rechtzeitig zur Aufführung des Stückes an der Burg. [Am 20. Februar teilt Th. B. allerdings Burgel Zeeh in einem Telefonat mit, Claus Peymann werde in Wien nicht Die Schwerhörigen , sondern Elisabeth II. aufführen, das auch in der Bibliothek Suhrkamp erscheinen soll.]
Kürzerer ›autobiographischer Bericht‹ ›Der Zweifel‹: Thomas Bernhard hatte vor zwei Jahren, als Herr Schaffler erkrankt war und Frau Schaffler ihm, Bernhard, erklärte, ein letztes Buch bei
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