Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld
Residenz sei lebensrettend, für Schaffler zugesagt, noch einmal ein Buch dem Residenz Verlag zu geben. Inzwischen ist aber Schaffler ausgeschieden, und der Residenz Verlag ist ein Bundes-Verlag geworden. Er fühlt sich an sein Versprechen nicht mehr gebunden, andererseits gibt es da noch einige heikle Verbindungen. Ich schlug von mir aus folgendes vor:
Er, Bernhard, solle Schaffler als ›Vermittler‹ einschalten. Der Residenz Verlag bekommt dieses neue Manuskript noch einmal, noch ein letztes Mal, jedoch unter folgenden Bedingungen:
1.Er erhält ein nicht-exklusives Recht für drei Jahre; danach fällt es totaliter an Thomas Bernhard zurück und wird nicht mehr im Verzeichnis Residenz geführt;
2.Keine Nebenrechte, auch keine Übersetzungsrechte;
3.Für diese Übergabe fallen die Rechte an den fünf autobiographischen Bänden an Bernhard zurück.
Geht der Residenz Verlag auf diese drei Bedingungen nicht ein, wird er den autobiographischen Bericht ›Der Zweifel‹ nicht erhalten.
›In hora mortis‹: Bernhard wartet dringlich auf die Ausgabe in der Insel-Bücherei.
Er wäre jetzt auch einverstanden mit einer Sammlung seiner ›Gedichte‹.
Und dann das Unternehmen des Bernhard-Jahres im Taschenbuch. Soll ich mich den Taschenbüchern ergeben? fragte er mich, als ich am Tag zuvor das Unternehmen unterbreitete. Ich meinte, die Vernunft gebiete es, und er war einverstanden. Wir können verfahren, wie wir wollen, auf der Linie des skizzierten Vorschlages. [Die ersten Bände der 24bändigen Taschenbuchausgabe der Werke von Th. B. erscheinen im November; siehe Anm. 1 zu Brief 514.]
Zur Hochstimmung trug sicherlich auch der Stand des Kontos bei, vielleicht auch eine neugewonnene Beziehung zur Familie, zum Bruder, zur Schwester und vor allem zur Tochter der Schwester, die von ihm zum Besuch nach Sintra eingeladen sind.
Grüße an alle. Käse war zu Burgel Zeeh zu rollen.«
4 Bei den beiden Anlagen handelt es sich um einen Brief von Elisabeth Borchers an Th. B. und einen Brief des Otto Müller-Verlags, Salzburg. Der Brief des österreichischen Verlags, in dem er einer Auswahl von Gedichten Christine Lavants, Herausgeber Th. B., für die Bibliothek Suhrkamp zustimmt, hat sich im Nachlaß von Th. B. nicht erhalten.
Elisabeth Borchers schreibt an Th. B. unter dem Datum des 21. Januar 1987 (an die Ohlsdorfer Anschrift):
»Lieber Thomas Bernhard,
es gibt zwei Anlässe, Ihnen zu schreiben; das freut mich.
Lesen Sie bitte den Brief aus Salzburg. So sieht man Leute zu Kreuze kriechen … Bleibt es bei Ihrer Lavant-Zusage?
Bitte, ja.
Und: ›In hora mortis‹ wird also, wie wir’s in Bonn besprochen hatten, im Herbst als Band der Insel-Bücherei erscheinen.
Um 38 Seiten zu erreichen (der Umfang vom ›Cornet‹!), sollten wir die römischen Ziffern als Zwischentitel auf eine rechte Seite stellen, die folgende vakat.
In Bonn waren wir auch übereingekommen, daß das Buch eine Widmung haben sollte. Später las ich – nach einem Gespräch zwischen Ihnen und dem Verleger – in einer Notiz: daß dieser Band ohne die Widmung der Erstausgabe erscheinen soll. Ich habe den Text des Bandes vor mir: Keinerlei Widmung; nur ein Leonardo-Motto. Sagen Sie mir ein Wort dazu?
Ich grüße Sie, sehr.
Ihre
Elisabeth Borchers«
Th. B. antwortet am 3. März 1987 auf dem Briefpapier des Hotel Tivoli, Sintra:
»Liebe Elisabeth Borchers,
am liebsten ginge ich so in drei Stunden mit Ihnen von hier aus durch die Alleen hinunter in mein geliebtes Gasthaus zu meinem ebenso geliebten Espada, dem madairensischen Schwertfisch, um über Gedichte zu reden; ich denke, die Eukalyptusbäume fördern solche Wünsche, Absichten und lyrischen Verbrechen im Höchstmaß. Aber wenn ich bei meinem Gang an Sie denke, hat es ja schon den notwendigen höheren Reiz als im absoluten Alleinsein.
Vielleicht können wir in Frankfurt in einem abgeschlossenen Winkel mit dem absoluten Blick auf Alles und Jedes unser Spiel treiben? Ich will die Lavantgedichte aussuchen und freue mich ganz und gar insgeheim auf den Schmalband für glückliche Trauertage im Herbst. Ohne Widmung, nur mit Leonardo!
Der Briefkopf von Müller hat mich natürlich gleich um weit über dreissig Jahre zurück versetzt, aber das schadet ja nicht, sondern kann auch zu produktiver Melancholie verhelfen.
Hier habe ich ein Stück ›Elisabeth II.‹ geschrieben, das ich gestern mittag, bei fünfundzwanzig Grad im Freien sitzend, vor dem alten Hotel Central, mit Peymanns Höhenflügen zusammen
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