Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld
höchsten Maßstabs erkennen, daß es noch nie einen wichtigeren und also für die Geistesgeschichte bedeutenderen Verleger gegeben hat als Sie – der Sie Ihr Genie ganz aus der Liebe zur Literatur und aus der Freude von deren Schöpfern gezogen haben.
Ich danke Ihnen für den gerade vergangenen Abend und nicht nur für diesen.
Ihr einfach / komplizierter
Thomas Bernhard
[514]
Ohlsdorf
4. November 87
Lieber Siegfried Unseld,
die Freude über die ersten beiden Bände der Taschenbücher meiner Arbeiten in Fortsetzung sozusagen, ist schon im ersten Augenblick der Kontrolle mit aller Kraft in sich zusammengebrochen: abgesehen davon, dass in jedem Band wieder steht: lebt in Ohlsdorf … was ich mir schon so oft als perverse Umschlagsdummheit verbeten habe, sind unter Prosa »Der Weltverbesserer« und »Am Ziel« angeführt! Ich glaube, mehr braucht es nicht, um sich angewidert von dieser verlegerischen Schlamperei abzuwenden.
Im Übrigen hoffe ich, es geht Ihnen gut,
Ihr
Thomas Bernhard
P. S. Überhaupt habe ich nach diesem Umschlagtext seit »Ruhestand« nichts mehr geschrieben und publiziert!!! Eine Ausgabe wie diese sollte wenigstens eine neugesetzte Seite wert sein! Oder nicht? 1
1 Im November 1987 erscheinen die ersten beiden Bände ( Frost und Wittgensteins Neffe ) der 24 Bände umfassenden Taschenbuchausgabe der Werke von Th. B. Sie besitzen Umschläge, die sich von denen der anderen Bände der suhrkamp taschenbücher durch ihre Farbe und eine reine Schriftlösung absetzen. Bis zum August 1988 werden jeweils 2 Bände im Monat ausgeliefert. Die Entscheidung von Th. B., seine Bücher in Taschenbuchform erscheinen zu lassen, fällt beim Gespräch zwischen ihm und S. U. in Lissabon; siehe Anm. 3 zu Brief 503.
[515; Anschrift: Ohlsdorf]
Frankfurt am Main
16. November 1987
Lieber Thomas Bernhard,
anbei die Kopie des Briefes von Jochen Jung vom 29. Oktober. […] 1
Was wollen wir machen? Es gibt drei Möglichkeiten:
Ich schreibe ihm, daß sein Brief vom 29. 10. keine Antwort ist auf unseren gemeinsamen Brief vom 16. 10. 1987.
Wir vereinbaren ein Gespräch zu dritt in Wien.
Sie schreiben ihm einen Brief, der Folgendes enthält:
a) Aufgrund seiner unseren gemeinsamen Brief vom 16. 10. völlig unbefriedigend lassenden Antwort wird »Der Zweifel« im Frühjahr 1988 im Suhrkamp Verlag erscheinen.
b) Sie erlauben keine weiteren Neuauflagen für die fünf autobiographischen Bücher im Residenz Verlag. Der Verlag kann seine vorhandenen Bestände ausverkaufen. Die abgeschlossenen Dritt-Verträge werden nicht erneuert.
c) Sie übertragen dem Suhrkamp Verlag das Recht zur Kontrolle des Auslaufens der Verträge.
Dies alles – es sei denn: er geht doch noch auf unseren gemeinsamen Brief vom 16. 10. 1987 ein.
Herzliche Grüße
Ihr
[Siegfried Unseld]
Anlage 2
1 Hier wurden zwei Sätze zur Wahrung der Persönlichkeitsrechte Dritter weggelassen.
2 In dem Brief vom 29. Oktober 1987 erklärt Jochen Jung, er werde sich auf das Angebot des Briefes vom 16. Oktober nicht einlassen – das habe Th. B. in einem Gespräch in Ohlsdorf akzeptiert.
[516; Anschrift: Ohlsdorf]
Frankfurt am Main
17. November 1987
Lieber Thomas Bernhard,
eben erhalte ich die ersten Exemplare der zweiten Serie der Taschenbücher: »Der Stimmenimitator« und »Das Kalkwerk«. Sie werden feststellen können: Ohlsdorf ist gelöscht und wird auch in den folgenden Bänden nicht wieder auftauchen, und am Schluß finden Sie alle Titel aufgeführt, die von Thomas Bernhard im Suhrkamp Verlag bisher erschienen sind. Ergänzungen und Korrekturen sind bei jeder neuen Auflage der Taschenbücher möglich!
Ich grüße Sie und hoffe, die Tatsache dieser nun monatlich wachsenden Taschenbuch-Ausgabe freut Sie doch ein wenig!
Herzlichst,
Ihr Siegfried Unseld
2 Anlagen 1
1 Bei den Anlagen handelt es sich wohl um die im Brief erwähnten Taschenbuchausgaben.
[517]
Ohlsdorf
29. 11. 87
Lieber Siegfried Unseld,
beiliegender Brief ging mit gleicher Post an Dr. Jung.
Herzlich
Thomas Bernhard
[Anlage; Brief von Th. B. an Jochen Jung]
Ohlsdorf
23. November 1987
Lieber Herr Dr. Jung,
lassen Sie mich gegen Ende des Jahres Klarheit und Ordnung schaffen und an den Ausgangspunkt des inzwischen fatalisierten Falles Bernhard / Residenzverlag zurückkehren, zur absoluten Trennung meiner Arbeiten von dem vom Staat Österreich gekauften Residenzverlag.
Mit Herrn Schaffler als Verleger und Ehrenmann
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