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Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld

Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld

Titel: Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimund Fellinger
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Eigentümerwechsel die Rechte so einfach mitverkauft werden können. Und ich gehe noch gar nicht auf den Punkt der besonderen Haltung Thomas Bernhards zum österreichischen Staat ein. Diesen Punkt in der Öffentlichkeit zu explizieren dürfte auch für den Residenz Verlag nicht angenehm sein.
    Viertens:
    Bei unserem Gespräch in Sintra habe ich Thomas Bernhard gesagt, daß ich noch einmal bereit bin, auf meine Option zu verzichten, und einverstanden bin, daß die neue, sechste autobiographische Arbeit »Der Zweifel« als Einzelausgabe bei Ihnen veröffentlicht werden kann, aber es war deutlich gemacht, daß diese Übergabe an Sie nur erfolgen kann, wenn von Ihrer Seite aus definitiv der Wunsch des Autors respektiert wird, daß die Rechte an uns gehen. Wenn diese Bedingung nicht eingehalten wird, so werde ich von meinem »Recht« Gebrauch machen, auf der bezahlten Option beharren, und dann wird es Ihnen unmöglich sein, den Text »Der Zweifel« herauszugeben.
    Das, lieber Herr Jung, sind die Fakten. Wie lösen wir das Problem? Mein Vorschlag:
Sie veröffentlichen im Frühjahr 1988 den sechsten Band »Der Zweifel«.
Gleichzeitig erscheint bei uns die Sammlung aller sechs Texte in einem Band.
Sie sind berechtigt, noch auf die Dauer von fünf Jahren diese einzelnen Ausgaben zu den jetzt angegebenen Ladenpreisen zu führen.
Sie erklären sich bereit, ab sofort keine weiteren Lizenzen zu vergeben, das gilt für Taschenbuch-Lizenzen wie für Übersetzungs-Lizenzen.
Wir sind ebenfalls auf die Dauer von fünf Jahren bereit, in alle Taschenbuch-Verträge einzutreten, d. h., Ihnen weiterhin für die Taschenbuch-Ausgaben dieser sechs Titel Lizenzen zu bezahlen.
    Lieber Herr Jung, mir scheint das ein vernünftiger Vorschlag zu sein, der Ihre Interessen wie die von Thomas Bernhard und Suhrkamp wahrt. Wir haben damit auf dieser Linie eine freundliche und friedliche Vereinbarung und müssen uns nicht mit unangenehmen Dingen herumschlagen.
    Ich möchte noch einmal erwähnen: wir legen Wert darauf, mit Ihnen in Verbindung zu sein, und es gibt ja eine Reihe von Beziehungen zwischen unseren Häusern, die wir doch aufrechterhalten wollen. Ich möchte Sie bitten, mir und Thomas Bernhard, dem ich eine Kopie dieses Briefes schicke, bald zu antworten. 1
    Mit besten Grüßen
    Ihr
    Siegfried Unseld
    1   Burgel Zeeh hält in einer Telefonnotiz am 31. August fest: »Den Brief von Dr. Unseld an den Residenz Verlag findet er ›unglücklich‹, aber ihm sei das egal, das sei eine Sache zwischen den Verlegern, seine ›Biographie‹ interessiere ihn nicht mehr.«

[510; Anschrift: Ohlsdorf]
     
    Frankfurt am Main
    9. September 1987
    Lieber Thomas Bernhard,
    Elisabeth Borchers hat mir Ihren Brief vom 1. September und Ihren Wunsch nach einem anderen Schriftgrad für die Gedichte der Christine Lavant übermittelt. 1 Wir haben darüber hier im Verlag promoviert, die Sache ist gar nicht einfach.
    Zunächst muß ich sagen, daß die Gedichte der Lavant nichts mit Ihren Texten zu tun haben, weder mit »In hora mortis« noch mit »Einfach kompliziert« – und ich sehe es ganz gerne, wenn das nicht so völlig identisch ist. Aber das ist nicht der entscheidende Grund, er liegt woanders: wenn wir eine besonders große Satztype wie z. B. bei »Einfach kompliziert« nehmen, so müssen bei den längeren Zeilen der Gedichte der Lavant mehrfach zuzügliche Zeilenbrechungen gemacht werden. Außerdem laufen dann auch mehrere Gedichte über zwei Seiten.
    Ich gebe Ihnen ein Beispiel, das Sie sicherlich überzeugen wird. Aber selbstverständlich folgen wir Ihrem Wunsch, machen einen Neusatz und richten uns in der Größe des Neusatzes nun danach, nicht allzuviel Zeilen brechen zu müssen. Ich bin sicher, daß Sie das nicht nur verstehen, sondern gutheißen. 2
    Herzliche Grüße
    Ihr
    Siegfried Unseld
    Anlage 3
    1   Der Brief von Th. B. vom 1. September lautet:
»Liebe Elisabeth Borchers,
die Freude über den Lavant-Umbruch war beim ersten Umblättern schon vorbei, denn der Satz ist nicht der gewünschte: wie der von ›Einfach / Kompliziert‹ in der BS.
Die Gedichte haben mit dem jetzigen kleinen Satz nicht die halbe Wirkung und wenn wir unserer Poetin den besten Start in die ›große‹ Welt geben wollen, müssen wir den Satz nocheinmal genau in der Grösse von ›Einfach / Kompliziert‹ setzen lassen.
Bei Gedichten ist ja die Grösse des Satzes entscheidend für die Wirkung auf den Leser.
Denselben ›Einfach / Kompliziert‹-Satz hatte ich ja auch

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