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Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld

Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld

Titel: Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimund Fellinger
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1988
    An unsere Autoren und an die Freunde des Verlages
    Mein Sohn, Dr. Joachim Unseld, seit zehn Jahren Mitgesellschafter der Verlage und seit fünf Jahren in der Verlagsleitung, wird vom Januar 1988 an gleichberechtigter Verleger der Verlage Suhrkamp, Insel und Nomos sein. Für ihn ist dies ein weiterer Schritt in der definitiven Richtung auf meine spätere Nachfolge.
    Zwei Verleger in diesem Verlagshaus, das seit Peter Suhrkamp und mir auf je einen Verleger gestellt war, wird nicht immer einfach und für uns beide ein Lernprozeß sein. In jedem Fall ist es eine Herausforderung, der wir uns freilich gerne stellen, da wir beide ein bestimmtes Ziel im Auge, in Kopf und Herz haben.
    Joachim Unseld hat sich drei Schwerpunkte für seinen Arbeitsbereich ausgewählt: die Programmierung der suhrkamp taschenbücher, die verlegerische Konzeption der edition suhrkamp und die integrale Betreuung jüngerer deutscher Literatur und neuer deutschsprachiger Autoren; mit dieser Tätigkeit wird er nach meiner Erfahrung am spürbarsten in die spätere Phase seiner Arbeit hineinwachsen.
    Ich bin sicher, daß Sie diesen Schritt, der der Kontinuität unserer Verlagsarbeit dient, begrüßen, und ich darf hoffen, daß Sie mit ihm und mit uns beiden gerne zusammenarbeiten werden.
    Dr. Siegfried Unseld

[520; Anschrift: Ohlsdorf]
     
    Frankfurt am Main
    26. August 1988
    Lieber Thomas Bernhard,
    wir hatten einen überaus angenehmen Tag, ich habe mich, auch im Auftrag von Ulla Berkéwicz, sehr herzlich zu bedanken. 1
    Ich werde meine Neugier bis März 1989 zu zügeln haben, wünsche Ihnen das Beste für die Fertigstellung der zweiten Prosa-Arbeit.
    Zur Angelegenheit Residenz:
    Der Residenz Verlag will von uns einen Ablösebetrag haben, der sich nach den Honorarabrechnungen der letzten Jahre richtet. Wir haben Jochen Jung gebeten, uns Kopien der Abrechnungen zuzuschicken, er weigert sich, dies zu tun, und weist darauf hin, daß er Ihnen zu den »erwähnten Terminen wie auch sonst immer« Aufstellungen geschickt habe und daß Sie sicherlich diese Aufstellungen mir schicken könnten. 2 Vielleicht graben Sie noch einmal nach?
    Ich hoffe, wir können uns in den Tagen 10. bis 12. September in Zürich sehen.
    Herzliche Grüße
    Ihr
    Siegfried Unseld
    1   Gemeint ist das Zusammentreffen mit Th. B. am 23. August, über das S. U. in seinem Reisebericht Bayreuth—Brannenburg—Poschiavo—St. Moritz—Salzburg, 12.-24. August 1988 berichtet:
»Dienstag, 23. August, war Thomas Bernhard gewidmet. Ich war mit ihm um 10 h in Ohlsdorf verabredet, wir wollten dann nach Fuschl fahren, um mit Ulla zu Mittag zu essen.
Ich war so pünktlich da, daß ich vorher noch eine halbe Stunde die Erzählung ›Am Ortler‹ lesen konnte, die in einem der beiden Taschenbücher enthalten war, die ich ihm zum Abschluß seiner Taschenbuch-Werkausgabe übergeben konnte [siehe Anm. 1 zu Brief 514]. Er freute sich über das pünktliche Erscheinen. An den beiden Bänden, die ich ihm als Blumen überreichte, bemängelte er sofort den komischen Titel ›Erzählungen‹ [suhrkamp taschenbuch Band 1564] und die merkwürdige Zusammenstellung. Ich sagte ihm, daß ich davon ausginge, daß er sie mit Fellinger besprochen habe (was dieser dann auch bestätigte), aber ihm fiel sofort eine Sache auf: die Erzählung ›An der Baumgrenze‹ ist im gleichnamigen Band des Residenz Verlages erschienen. Haben wir Rechte eingeholt?
Im unteren Besucherzimmer saßen wir uns dann in zwei Sesseln gegenüber, hauptsächlich sprach er über die Gesellschaft bei Maleta [am Abend zuvor], die Adeligen habe er ziemlich bestimmt, da er z. B. die Gräfin Clam außerordentlich schätze. Sie war meine Tischnachbarin, und sie rauchte nicht, weil sie wußte, daß Thomas das stören würde. Sie ist Besitzerin der Burg Clam in Oberösterreich, Strindberg hat Klam besucht und dort Teile des ›Inferno‹ geschrieben, in dem Klam vorkommt. Sie hatte mich nach der Buchausgabe von ›Elisabeth II.‹ gefragt, denn der dort vorkommende Balkon sei der Balkon ihrer Burg, und Bernhard bestätigte dies – es sei ein furchterregender Balkon, weil er eine fast 200 m tiefe Schlucht überrage. […]
Thomas Bernhard hatte auch Marianne Hoppe zu Maletas Fest mitgebracht, er hatte sie am Tage zuvor besucht, da sie am Schluß des ›Heldenplatz‹ die Rolle von Hedwig Schuster, genannt Frau Professor, die Frau des Verstorbenen, spielen soll und damit das Stück noch einmal schauspielerisch großartig zusammenfassen

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