Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld

Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld

Titel: Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimund Fellinger
Vom Netzwerk:
sollte. […]
Dann zu Peymann. Er sprach fast eine Stunde. Es ging um das ominöse Interview, das, so Bernhard, nicht sehr diplomatisch und auch nicht mit den Kategorien des Geschmacks gemessen werden könne, aber nachdem er es gegeben hätte, hätte er zu ihm stehen müssen. Das hätte er nicht getan, er sei mehrfach umgefallen. Im übrigen hätte er, Bernhard, ihn durchaus zu einem offenen Interview ermutigt, er, Bernhard, habe auch von der ›Zeit‹ das Interview zugeschickt bekommen, wohl aus Versehen. Er zweifle, ob Peymann das vorher gelesen habe, was freilich dann nicht sehr verantwortungsvoll gewesen sei. Nun könne Peymann nichts anderes machen, als sich durch gute Inszenierungen auszuweisen, und die erste Arbeit wird ja dann der ›Heldenplatz‹ sein. [ Ich bin ein Sonntagskind. André Müller spricht mit Burgtheaterdirektor Claus Peyman , in: Die Zeit , 27. Mai 1988] Es sieht so aus, daß er sein Ensemble zusammenhabe, genau wisse er es nicht, denn Peymann habe sich zwei Monate bei ihm nicht gemeldet, was er nicht versteht, denn in dieser Woche sollten ja die Proben schon beginnen. Einige Schauspieler waren auszuwechseln, denn sie wollten unter Peymann nicht mehr arbeiten.
Die sachlichen Punkte des Gesprächs waren rasch erledigt, ich teilte ihm seinen Kontostand mit; die 282 TDM in Frankfurt und die 63 TSF in Zürich (wie sich irrtümlich erweisen sollte, sind das auch DM) erfreuten ihn, er wünschte sich, diese Franken von einem Angehörigen des Suhrkamp Verlages Zürich im schwarzen Anzug und weißen Handschuhen überreicht zu bekommen. Also würde er bald nach Zürich fahren, und wir überlegten vaguement das Wochenende vom 10./11. September, an dem ich ja ohnehin in Zürich bin.
Dann: er habe ›Neufundland‹ neu durchgesehen, dies sei fertig, aber er zögere noch, denn er schreibe nun an einer zweiten Prosa-Arbeit, die in diesem Jahr fertig würde, und er wisse nicht, welche er als erste herausgeben sollte. Im März 1989 würden wir diese Prosa-Arbeit bekommen, zusammen mit einer Komödie, die er wahrscheinlich auch schon geschrieben hat.
Es waren 2 1/2 Stunden vergangen, wir hätten uns jene Rätsel, die keine sind, gelöst, meinte er, und nun kam die Frage nach dem Mittagessen und Ulla Berkéwicz auf, dies gleichzeitig von uns beiden. Er meinte, daß er eigentlich nach Gmunden fahren müsse, um seinem Bruder eine Medizin-Tasche, die er vergessen habe, zu übergeben. Ich schloß daraus, daß er – wie bisher immer – nach einer so langen Unterhaltung wieder allein sein wollte, und bot ihm an, zu gehen oder daß wir nur zu zweit rasch etwas äßen, und er sagte: Geht das? Geht das? Ich bestätigte ihm das und rief in Fuschl an, um Ulla dies mitzuteilen und meine Rückkehr für 16 h zu melden. Er hatte mein Gespräch mit angehört, und als ich den Hörer aufgelegt hatte, sagte er, vielleicht können wir aber auch etwas anderes machen: Ulla möchte doch mit einem Taxi ins Häupl nach Seewalchen kommen, und wir würden dort gemeinsam essen. Man braucht Freud bei diesem Vorgang nicht zu bemühen. Selbst wenn es keine bewußte Aktion war, sein Unbewußtes hatte herausfinden wollen, was mir wichtiger war, und als ich ihm dies Wichtigere gezeigt habe, kam er doch wieder auf das gemeinsame Essen zurück.
Wir fuhren dann nach Seewalchen, Bernhards Idee war ziemlich verrückt, denn Ulla fand zunächst kein Taxi, es mußte aus Salzburg kommen, und die Taxifahrerin fand Seewalchen nicht! So kam sie mit einer Stunde Verspätung erst an, und die Taxirechnung betrug DM 170.—. In dieser Stunde aber, als wir im Häupl saßen und ein paar Tropfen Wein getrunken haben, taute Bernhard auf. Er redete und redete und fragte mich nach meiner persönlichen Situation, nach dem Verhältnis zu meiner Frau und zu Ulla, nach Mitarbeitern im Verlag, nach Joachim – es war das so ziemlich persönlichste Gespräch, das ich je mit Bernhard geführt habe. Dann kam Ulla, und Bernhard war ganz gentlemanlike, höflich bemüht. Wir aßen, danach bat er, auf die Terrasse zu gehen, um dort Kaffee und Nachtisch zu nehmen, wir wollten nach zwei Stunden gehen, er bestand darauf, daß wir noch zehn Minuten blieben, dann noch fünf Minuten, schließlich regte er an, wir sollten doch gemeinsam seinen Bruder in Gmunden besuchen. Das taten wir dann auch, und als wir nach diesem Besuch in Gmunden uns verabschieden wollten, bat er uns, wir möchten jetzt doch mit ihm nach Wolfsegg fahren, er wollte mir sein Haus zeigen, das ich ja noch

Weitere Kostenlose Bücher