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Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld

Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld

Titel: Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimund Fellinger
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Zeitpunkt der Veröffentlichung von Frost 1963 hatte ihn dies auf dem Weg zur Schriftstellerexistenz nicht weit gebracht: Er war ein unbekannter, verlagsloser Schriftsteller. Der Otto Müller Verlag hatte sich nach der Publikation zweier unbeachteter Lyrikbände (1957 und 1958) geweigert, einen dritten herauszubringen, die Gedichtsammlung bei Kiepenheuer & Witsch blieb ein Zwischenspiel, und der vierjährige Exklusivvertrag mit S. Fischer hatte nur ein Bändchen zum Ergebnis: die rosen der einöde. fünf sätze für ballett, stimmen und orchester . Er stellte zwar 1961 die Gedichtproduktion ein, doch seine Prosa aus dieser Zeit, die er unter anderem auch dem Piper Verlag anbot, stieß auf wenig Gegenliebe, wie die Absage durch den Suhrkamp Verlag beweist. Folglich ließ er sich das Angebot des langjährigen Freundes Wieland Schmied nicht entgehen, der 1962 kurzzeitig im Insel Verlag als Lektor tätig war und sich für ein Prosamanuskript von ihm einzusetzen versprach.
Das Manuskript war schnell geschrieben, der Publikationsvertrag unterzeichnet, und die Lektorin Anneliese Botond erarbeitete mit dem Autor in Frankfurt eine Druckfassung. Die zweifache Doktorin, die Ende der vierziger Jahre eine Tuberkulose in der Schweiz auskurierte – beide verband also eine ähnliche Leidenserfahrung —, war Anfang 1963 zum Verlag gekommen und kümmerte sich eingehend um Bernhard: Nicht nur lektorierte sie Satz für Satz seine Manuskripte, riet ihm, wie er mit dem Verleger umgehen solle, sie lieh ihm 1967 auch eine beträchtliche Summe, damit er eine lebensrettende Operation bezahlen konnte. Bei ihr kam er sogar ins Loben, er betonte »die ungeheure Qualität dieser Frau als Institution« (S. 103) und charakterisierte sie, schon eher typisch für ihn, als den »Pfahl, an den ich Schaf mich gern, meine ganze Schriftstellerei, anbinde« (S. 110). 1970 verließ sie den Verlag in Richtung Lateinamerika.
Die enge Kooperation zwischen Lektorin und Autor erklärt, warum der erste Brief von Siegfried Unseld, der bereits anderthalb Jahre zuvor den Insel Verlag gekauft hatte, erst auf den 7. Oktober 1964 datiert – ab diesem Zeitpunkt war er realiter der Verleger Bernhards und übernahm, nachdem er den kurzzeitig amtierenden Leiter Rudolf Hirsch zum Rückzug gedrängt hatte, die alleinige Verantwortung. Die Befürchtung, die Unseld bei Bernhard zerstreuen wollte: Es ging das Gerücht, der Insel Verlag würde aufgelöst und in den Suhrkamp Verlag integriert. Der Insel Verlag blieb als eigenständiges Haus bestehen – Thomas Bernhard wechselte jedoch 1968 in den Suhrkamp Verlag.
Anneliese Botond war auch bei der ersten persönlichen Begegnung zwischen Bernhard und Unseld anwesend. Die dort thematisierten »Finanzen« spielen während der gesamten Beziehung eine Rolle. Zunächst verspricht Bernhard, das Verhandeln über Vorauszahlungen und Honorare werde rasch von der Tagesordnung verschwinden. Ihm selbst schien dieses Thema lästig zu werden, denn in einem mit zweifachem Verlegerlob gespickten Jahresendbrief kündigt er 1965 an: »Die Zeit, da ich Sie mit finanziellen Kopfsprüngen nicht mehr belästigen werde, ist mit grosser Sicherheit bald gekommen, dann entbehrt unser beider Verhältnis vielleicht gar die so wunderbare Spannung, die mir, ich erstaune darüber nicht, so recht ist. In die Poesie gehört die Ökonomie, in die Phantasie die Realität, in das Schöne das Grausame, Hässliche, Fürchterliche hineingemischt.« (S. 32) Dennoch kommt es zu weiteren »Honorarschwierigkeiten«, so daß Unseld am 8. Juli 1969 fragt: »Wann werden wir wohl aus unserer Korrespondenz und Beziehung die leidige Geldangelegenheit eliminieren?« (S. 115)
Kurze Zeit später muß er eingesehen haben, daß dies nie der Fall sein wird. Selbst zu Beginn der achtziger Jahre, als sich Thomas Bernhards finanzielle Situation gegenüber den Anfängen seines Schreibens grundlegend verbessert hat, ändern sich Form und Höhe seiner Forderungen nicht: Am 17. Dezember 1981 verlangt er ein Darlehen von 20 000 DM und setzt Unseld zugleich davon in Kenntnis, daß, nach mehreren vorangegangenen »Seitensprüngen«, ein weiteres Buch von ihm im Residenz Verlag erscheinen wird. Als Siegfried Unseld im Brief vom 29. Dezember Bedingungen für eine Zahlung nennt, antwortet Bernhard am 7. Januar 1982, souverän bestehende Verträge ignorierend: »ab sofort dürfen keine Neuauflagen oder Neuausgaben meiner in den Verlagen Suhrkamp und Insel erschienenen Bücher mehr

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