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Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld

Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld

Titel: Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimund Fellinger
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jetzt ist. Ich meinte, daß doch Platz genügend sei, daß die zwei, drei Leute, um die es sich handelt, auch untergebracht werden könnten. Damit war er schließlich auch einverstanden. Wichtig sei eben, daß der ›Hausstock‹, sein eigentliches Wohngebiet, unberührt bliebe. Alles andere sei ja nicht so wichtig, aber das sollte erhalten werden. Und ich könnte sicher sein, daß das ungeheuer beachtet würde. Es gäbe ja keinen Schriftsteller in diesem Jahrhundert, dessen Wohn- und Arbeitsstätte tradiert sei! Er sei nun einmal in dieser Situation und Rolle. Schließlich sei er sicher, daß nach seinem Tode eine neue Renaissance für seine Werke käme. Überhaupt Renaissance und Wirkung: sein Werk sei nicht genügend unter die Leute gebracht, der Suhrkamp Verlag habe zu wenig getan, er habe keine Werbung gemacht und zum Beispiel im Falle ›Heldenplatz‹ die riesige Publizität nicht ausgenützt und keine Anzeige (er sagte: ›keine der bekannten Streifenanzeigen‹) gemacht! Warum habe der Suhrkamp Verlag ihn bei dem es-Jubiläumsprogramm nicht besonders erwähnt, schließlich sei er Autor der edition suhrkamp! Thomas Bernhard war nicht zu halten. Und er sähe schon, wie omnibusweise die Leute da kommen würden. Und ich bräuchte doch einfach Eintritt zu erheben, um das Museum wirtschaftlich gestalten zu können.
Was soll man in dieser Situation einem Autor antworten? Die Idee sei bestechend, aber die Realisierung schwierig. […]
Als wir soweit im Gespräch waren, wechselten wir das Lokal, gingen in das große Restaurant, aßen eine Kleinigkeit zu Mittag. Er immer wieder unter Betonung, wie schwer ihm das physisch fiele, er könne nur noch einen kleinen Schluck Bier trinken, sonst nur Mineralwasser, keinen Tee, keinen Kaffee. Sein Herz vertrüge nichts mehr. Alle Genußmittel seien ihm verboten bzw. sie würden zum letalen Ende führen. Immer wieder kam er auf Nathal zu sprechen. Nein, Autoren sollte ich dort nicht unterbringen. Autoren seien unfähig, sich in andere hineinzuversetzen, und jeder meinte, er sei der Größte. So wie DalÕ ja auch meinte, er sei größer als Picasso. Sieht aber Thomas Bernhard nicht selbst sich als den Größten? Immer wieder kam er auf Max Frisch zurück und seine Frage, wann die Uraufführung von ›Heldenplatz‹ sei. So seien Autoren.
Frage nach meinem persönlichen Ergehen, nach dem Duo in der Klettenbergstraße, nach Burgel Zeeh, nach Fellinger, der ja doch wohl immer noch Handke lektoriere. Beckett sei schließlich der Einzige. Ich zeigte ihm das Titelblatt von ›Theater heute‹ Dezember 1988 mit der riesigen Unterschrift: Beckett. Bernhard. Koltès. Paris. London. Wien: ›Sehen Sie, sehen Sie. Man muß nur sterben, dann wird man berühmt.‹
Es war kurz vor 14 Uhr, mein Flugzeug sollte um 15 Uhr abfliegen. Wir standen auf, baten den Ober um die Mäntel, die er uns beim Eingang abgenommen hatte. Der meinige war noch vorhanden, der Plastiksack mit den Calzium-Präparaten auch, aber Bernhards grüner Lodenmantel, ›handgearbeitet‹, wie er mürrisch vermerkte, war verschwunden. Als ich in das Taxi einsteigen wollte, sah ich den Bruder kommen. Ich fragte ihn, ob Thomas Bernhards Krankheit so sei, wie er sie mir dargestellt habe. Ja, sie sei sehr ernst. Ich brachte dann noch die beiden Brüder zusammen und fuhr los.«
In seinem Eintrag in der Chronik zum Tod von Th. B. kommt S. U. auf dieses letzte Salzburger Treffen zurück; unter dem Datum des 16. Februar heißt es: »Morgens die Nachricht aus Wien, Thomas Bernhard sei schwer erkrankt. […]
Im Verlag, während der Postkonferenz, die Nachricht:
Thomas Bernhard ist tot. Der Anwalt Peyrer, der mir zur Sache der Schwester geschrieben hat, bestätigt die Nachricht (siehe Notiz).
Thomas Bernhard tot. Am Sonntag, dem 12. Februar 1989, gestorben. Die Nachricht trifft um 12 Uhr ein, eben zu dem Zeitpunkt, an dem er begraben wurde. Das wollte ja Thomas Bernhard so, daß niemand Notiz nähme, er hat seinen Willen durchgesetzt, nicht ganz, aber im wesentlichen.
Thomas Bernhard ist tot. Es war zu erwarten und ist doch schwer zu fassen. Ich schreibe, immer wieder unterbrochen, den Nachruf fürs ›Börsenblatt‹, einen Nachruf vielleicht auch für österreichische Zeitungen:
›Thomas Bernhard ist tot. Er starb am Sonntag, dem 12. Februar, in Gmunden und wurde am 16. Februar 1989 in Wien begraben an der Seite seines «Lebensmenschen», über den er geschrieben hat: «Wir sind urplötzlich von dem Menschen getrennt, dem wir im

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