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Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld

Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld

Titel: Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimund Fellinger
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werden, das hoffe ich, ich glaube auch daran, dass der Zeitpunkt nicht in aller weitester Ferne ist.
    Ich danke Ihnen für die prompte Überweisung der 3.000.—, die mich beruhigt und vor einer widerlichen Handlung bewahrt haben. Mein Zweifel war also unberechtigt, alles ist gut.
    Was ich immer wünsche, ist, alle dummen und dreisten, aber auch die verlockenden Angebote des Teufels abzuschlagen und weiterhin auf Aufforderungen der journalistischen gemeinen ebenso essaiistischen gemeineren Umwelt überhaupt nicht zu reagieren und mir meinen Platz am Schreibtisch für meine eigenen Gedanken fortwährend frei zu machen, eine lebenslängliche Reservation für mein perverses Vergnügen, das Schreiben, allein für mich, also, zu erhalten. Dieser Voraussetzung widme ich meine verirrten Anstrengungen. Und der Verleger soll auch glücklich sein, dass der Autor auf die falschen Töne pfeift.
    Ein Verleger, dessen Namen ich Ihnen, wenn Sie es, aus Neugierde wünschen, auch schreiben kann, wollte mich in den letzten Wochen »in Bausch und Bogen« kaufen, alle meine Schulden zahlen und mir ein lebenslängliches Salär geben etc., aber ich habe das »Angebot« natürlich nicht angenommen, aus so vielen Gründen, die die bekanntesten sind. Ich bin nicht mein eigener Totengräber auf die plumpe Weise, wenn, dann also auf die raffinierteste und das wird mir auch gelingen.
    Ich widerstehe dem Geld, d. h., dass ich ab und zu in die Lage komme, einen wirklichen Hilferuf auszustossen, der Widerwärtigkeit, etwas fordern zu müssen, nachgebe. Aber Wörter sind auch da reine Verwesungsmittel.
    Ist Ihnen nie aufgefallen, dass ich weder Artikel noch Essays etcetera veröffentliche, während es doch soviel Geld eintragen würde etcetera. Verwesungsmittel.
    Nun setze ich mein Vergnügen fort, schicke bald »Watten« ab und Sie werden den Roman zeitgerecht bekommen, aber »erscheinen«, nicht in Form einer Lichtgestalt, wie man glaubt, sagt man erscheinen, ein blöder Ausdruck, darf das Buch erst im Herbst 70, lieber noch später. Und ich will es solange behalten als möglich, ich bin ein Mann des letzten Moments, ich bin ein Seiltänzer ohne Seil und der Abgrund ist nicht nur unten.
    Wann bringt der Briefträger die Bibliothek-»Verstörung«?
    Die Frage, ob Basel wirklich den »Boris« aufführt, ist auch noch unbeantwortet.
    Die unbeantworteten Fragen sind allerdings immer die interessantesten. Antworten verblöden in jedem Falle die Fragen und verkleinern sie zu einem unbeschreiblichen Nichts.  
    Heute lese ich, dass Gombrowicz gestorben ist und ich kann den ganzen Tag nichts tun, Tausende Schriftsteller berührten mich nicht, wären sie gestorben, ja, ich nähme sogar einen perfekten Massenmord einer beinahe ganzen Schriftstellergeneration ohne Regung hin, aber dieser Tod macht mich traurig. 1
    Mir ist erzählt worden, wie Sie Tennis spielen. Eine gute Charakterisierung.
    Aber jede Schilderung ruft eine völlig falsche Vorstellung hervor. So ist das Leben.
    Herzlich Ihr
    Thomas Bernhard
    1   Witold Gombrowicz stirbt am 25. Juli 1969 im südfranzösischen Vence.

[79; Anschrift: Ohlsdorf]
     
    Frankfurt am Main
    30. Juli 1969
    Lieber Herr Bernhard,
    herzlichen Dank für Ihren Brief vom 28. Juli. Sie sagen, daß Sie meinen Brief vom 25. nicht ganz verstanden haben. Ich muß die Zahlungen, die ich Ihnen leiste, auf die verschiedenen Bücher bzw. Buchplanungen umlegen. Die bisherigen Vorauszahlungen, die wir geleistet haben, gelten für die Bücher einschließlich »Watten«. Die Ihnen zuletzt übersandten DM 3.000.— sind eine Zahlung È conto der Honorare des kommenden Romans, von dem Sie mir jetzt schreiben, Sie würden ihn mir »zeitgerecht« zuschicken. Im übrigen bin ich gerne bereit, mit Ihnen darüber mündlich zu sprechen. Sind Sie in der Woche vom 25.-30. August in Ohlsdorf? Ich möchte doch einmal zu Ihnen kommen. Bitte schreiben Sie mir zu diesem Punkt sehr rasch, ich möchte mich dann auch bei Günter Eich anmelden.
    Bei diesem Gespräch können wir verschiedene Dinge klären, so etwa den Erscheinungstermin des Romans, den ich »ex gewissis causis«, wie mein Lateinlehrer sagte, gern zum 1. Juli 1970 veröffentlicht sähe. 1
    »Watten« erwarten wir gern und dringlich, ich freue mich auf die Lektüre.
    Die »Verstörungs«-Ausgabe in der BS hat sich etwas verzögert, weil wir in alle Bände der BS und in alle einschlägigen Bände der »es« eine »Bernhard«-Beilage gemacht haben, die sehr hübsch geworden ist. Die

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