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Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld

Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld

Titel: Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimund Fellinger
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den
    Beschluß
    gefaßt:
    Die Strafsache wird gemäß § 52 Abs. 1 StPO. 1960 an das Strafbezirksgericht Wien abgetreten.
    Begründung:
    Die Privatanklage wurde unter Hinweis auf den Wohnort des Beschuldigten beim Bezirksgericht Wels erhoben. Die Privatkläger haben nunmehr gemäß § 51 Abs. 1 StP0 1960 die Abtretung an das Strafbezirksgericht Wien beantragt.
Mit Rücksicht auf den im Ausland liegenden Erscheinungs- und Druckort ist der Tatort der Ort, wo das Druckwerk verbreitet worden ist. Für eine Verbreitung im Sprengel des Bezirksgerichts Wels ist kein Hinweis vorhanden. Nach den in der Zeitschrift enthaltenen Angaben wird die Auslieferung von Wien aus besorgt. Dagegen bestehen, schon mit Rücksicht auf die spezielle Art der Zeitschrift, keine Bedenken. Auch ist das im Gegenstande verfügbare Exemplar der Privatanklage in Wien beigelegt worden. Als Tatort ist somit jedenfalls auch Wien anzusehen.
Über Verlangen der Privatankläger war daher die Strafsache gemäß § 52 Abs. 1 StPO 1960 dem Strafbezirksgericht Wien abzugeben.« Der erwähnte Briefumschlag ist nicht erhalten.

[105; Anschrift: Ohlsdorf]
     
    Frankfurt am Main
    27. Januar 1970
    Lieber Thomas Bernhard,
    schönen Dank für Ihren Brief vom 25. Januar. Ich habe heute drei Briefe losgelassen mit der Bitte, mir den besten Anwalt in Wien zu nennen. Bitte gedulden Sie sich. Ich schreibe Ihnen in Kürze. Das Gerichtspapier schicke ich Ihnen wunschgemäß zurück.
    Drei der Autoren für das Juli-Sonder-Jubiläumsprogramm werden mit ihrem Manuskript nicht fertig! Ich mußte deshalb die Idee des 3. Programms im Juli fallenlassen. Das würde bedeuten, daß »Das Kalkwerk« nicht im Juli, sondern Ende August ausgeliefert wird. Ich hoffe, das wird Sie nicht entmutigen. Sie dürfen unserer vollen Bemühung ja sicher sein.
    Wo ich nur kann, empfehle ich »Ein Fest für Boris«. Es tun sich ja da immer wieder Möglichkeiten auf |: Hamburg definitiv Juni|
    Soviel nur für heute als Zwischenbericht.
    Herzlich
    Ihr
    Siegfried Unseld

    Anlage

    [Anlage; Brief von S. U. an Ferdinand Sieger]

    Herrn Dr. Ferdinand Sieger
    7 Stuttgart 0
    Urbanstraße 4
    Frankfurt am Main
    27. Januar 1970
    Lieber Herr Sieger,
    ich erhalte eben einen Brief von Thomas Bernhard. Er ist in eine Strafrechtssache verwickelt. Er hat in der August-Nummer von »Theater heute« folgendes geschrieben: ». . . damals besten kulturpolitischen Zeitschrift Die Furche, die heute allerdings nurmehr noch als eine Quadratur des perversen katholisch-nazistischen Stumpfsinns herauskommt . . .« Die Zeitschrift verklagt ihn jetzt in Wien. Er braucht dort einen Anwalt. Wüßten Sie irgend jemanden in Wien, und wie beurteilen Sie die Lage?
    Herzliche Grüße
    Ihr
    [Siegfried Unseld]

[106; Anschrift: 〈Ohlsdorf〉]
     
    Frankfurt am Main
    3. Februar 1970
    Lieber Herr Bernhard,
    in der Angelegenheit eines möglichen Anwalts für Sie habe ich einige interessante Hinweise bekommen. Zunächst einen Brief meines Anwalts, den ich in Kopie beilege. Hilde Spiel nannte mir Herrn Rechtsanwalt Dr. Peter Stern, Wien 1, Elisabethstraße 2-6. Herr Stern ist ein jüngerer sehr agiler Anwalt, der Alexander Lernet-Holenia oft in vergleichbaren Fällen vertreten hat. Sollte man ihn bitten?
    Ich meine freilich, daß man zunächst noch einmal etwas Außergerichtliches versuchen soll.
    Soviel für heute.
    Schöne Grüße
    Ihr
    Siegfried Unseld

    Anlage 1
    1   Ferdinand Sieger schreibt am 29. Januar 1970 an S. U.:
»Zu Ihrer Anfrage vom 27. Januar 1970: 1. Als mit Presse- und Verlagswesen bestens vertraute Wiener Anwälte kann ich empfehlen unsere dortigen Korrespondenzkollegen Dr. Fritz Psenicka, Dr. Walter Ender, Dr. Konrad Landau, Wien I, Rosenbursenstrasse 8.
2. Das Urteil, die Zeitschrift ›Die Furche« komme heute nur noch als eine ›Quadratur des perversen katholisch-nazistischen Stumpfsinns‹ heraus, scheint mir nach deutschen Gesetzen kaum strafbar zu sein. Es handelt sich dabei um ein nicht judizierbares Werturteil, während zu den strafrechtlich relevanten Äusserungen das Merkmal gehört, dass sie Tatsachenbehauptungen enthalten. Insofern dürfte es darauf ankommen, dass die Beurteilung ›des perversen katholisch-nazistischen Stumpfsinns‹ nicht auf einen bestimmten historischen Augenblick und bestimmten historischen Vorgang zielt, sondern eine Breviloquenz, ein zusammenfassendes Schlagwort für die Kreuzung bestimmter Geisteshaltungen darstellt. Zweitschrift zur Weitergabe an Thomas

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