Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld
Januar. Ich hoffe mit Ihnen, daß Sie eine adäquate Aufführung des so wichtigen Stückes bringen können.
Ich werde mich bei meinem nächsten Hamburg-Besuch gerne bei Ihnen melden.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr
[Siegfried Unseld]
1 Auf dem Durchschlag ist unter dieser Angabe von dritter Seite handschriftlich vermerkt: »Briefe Lietzau v. 23. 12. 69 u. 10. 1. 70 / Briefe Unseld v. 7. 1. u. 13. 1. 70«. Im Briefwechsel zwischen dem Intendanten des Deutschen Schauspielhauses in Hamburg und S. U. geht es um den Termin der Uraufführung von Ein Fest für Boris . Im März 1969 (siehe Anm. 1 zu Brief 65) ist mit dem Hamburger Theater ein Vertrag abgeschlossen worden ohne Nennung eines Datums für die Premiere. Zu Beginn des Dezember 1969 zeichnet sich ab, daß sie erst am Ende der Sommerspielzeit 1970 stattfinden kann. Deshalb verhandelt der Verlag mit Hans Hollmann und den Münchner Kammerspielen über eine mögliche Premiere im Mai 1970. Th. B. selbst schreibt am 14. Dezember 1969 an Ursula Bothe: »Mitte Juni ist der denkbar schlechteste Termin für eine erste Aufführung des ›Boris‹, andrerseits kann ich von hier aus überhaupt nichts unternehmen und ich muss alles gehen und kommen lassen, wie Sie es von Frankfurt aus dirigieren. [. . .] Hamburg wie München sind für mich und mein Stück von dem grössten vorstellbaren Reiz.« Am 18. Dezember 1969 trifft sich S. U. in Hamburg mit dem Chefdramaturgen Ernst Wendt. »Lietzau war nicht in Hamburg. [. . .] Wendt wand sich förmlich für das Theater: es sei die einzige Uraufführung, und sie brauchten sie; er deutete an, daß Peymann wohl nicht inszenieren würde, wenn er nicht die Uraufführung hätte, was ich stark bezweifelte. Ich legte ihm die ›bayerische‹ Situation dar. Er sah ein, daß er rechtlich gegen einen Abschluß mit München nichts einwenden könnte. Doch hat er mir weder versichert, daß die Aufführung in jedem Fall kommt, noch gesagt, daß im anderen Fall die Aufführung in jedem Fall nicht stattfindet.« Daraufhin schreibt Hans Lietzau am 23. Dezember 1969 an S. U. und wirbt um Verständnis für eine Uraufführung Ende Juni 1970.
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Ohlsdorf
25. 1. 70
Lieber Dr. Unseld,
ich schicke Ende Februar, klappt alles, wie ich es mir denke, den Roman hinaus. Vielleicht fahre ich selbst auf ein zwei Tage nach Frankfurt damit.
Die jetzige Arbeitsperiode geht aber auch nicht ohne Belästigung ab und ich habe gestern das beigelegte Papier (auch den Umschlag lege ich bei, wegen der interessanten Berufsbezeichnung) vom Kreisgericht Wels bekommen, das zu studieren ich Sie bitte. Die offensichtlich eingereichte Ehrenbeleidigungsklage bezieht sich wahrscheinlich auf den Passus meiner Notiz im »Theaterheute«-Heft vom August 69, das ich Sie bitte, besorgen zu lassen, der folgendermassen lautet: ». . . damals besten kulturpolitischen Zeitschrift Die Furche, die heute allerdings nurmehr noch als eine Quadratur des perversen katholisch-nazistischen Stumpfsinns herauskommt . . .« Ich besitze das Heft nicht, habe aber den Satz im Kopf, um den es sich zweifellos handelt. Bitte lassen Sie sich die Sache durch den Kopf gehen, Ehrenbeleidigung, wenn ich auch der Ansicht bin, dass kein Blatt der Welt auf die sogenannte Ehrenbeleidigung klagen kann, weil kein Blatt der Welt, welches auch immer, Ehre hat. Aber gut, klagen kann man, wen und was und warum man will. Mir ist das Ganze recht und, werde ich verurteilt, sieht man wenigstens wieder einmal, wo mein Kopf steht. Ich bin aber aufgeschmissen, wenn ich, Sie sehen, wenn Sie die Notiz in »Theaterheute« durchlesen, eine Provinzkomödie sich entwickeln, wenn ich völlig allein (wie vor 15 oder 20 Jahren schon) vor Gericht erscheine und vielleicht gehe ich gar nicht hin, formuliere nur etwas und lasse es verlesen, ich weiss das noch nicht, also, wenn ich keinen guten fortschrittlichen Anwalt habe, bin ich aufgeschmissen. 1 Und ich bitte Sie nachzudenken, ob Sie mir für die Sache einen solchen mit der Materie absolut vertrauten Anwalt nennen und schliesslich zur Verfügung stellen können. In Wien.
Das Abschreiben des Romans, des »Kalkwerks«, macht gute Fortschritte, wenn ich auch gerade dieses Abschreiben als das grösste Martyrium empfinde, das einem Menschen zustossen kann. 2
Bitte lassen Sie mich in der Gerichtssache nicht im Stich, sagen Sie mir, was ich tun (oder nicht tun) soll, ich brauche jetzt meinen Kopf für ganz andere Sachen. Sie wissen,
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