Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld
und sie schon gar nicht fürchten.
Aus mehreren Gründen läge uns an diesem Buch. Meine Hauptüberlegung zielt durchaus auf Ihre eigene Arbeitsweise. Wenn Sie den Text allzu lange liegen lassen, verlieren Sie die Lust an ihm. Und wie auch immer die Anlage des Textes sein mag, er ist datiert, und ich meine, daß dem Schriftsteller Bernhard nicht gedient wäre, wenn er dann wesentlich später nach der Niederschrift erschiene.
Wir selber möchten, wie ich Ihnen schon sagte, das gesamte Programm des 2. Halbjahres 1970 als Jubiläumsprogramm ansehen. Und hier läge uns besonders viel an Ihrem Roman und an der Tatsache, daß Thomas Bernhard hier vertreten ist. Es kommt hinzu, daß ich die Situation für das Erscheinen des Buches taktisch für besonders günstig halte, und ich glaube, daß wir Maximales und Optimales erreichen können.
Ich würde also noch einmal dafür plädieren, daß Sie uns bis spätestens Ende März das Manuskript zuschicken. Wir können uns dann in Ruhe mit ihm beschäftigen und die Edition vorbereiten.
»Midland in Stilfs« in der Bibliothek Suhrkamp bringen wir dann im Januar oder März 1971.
Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie dieser Lösung zustimmen würden, damit die Unsicherheiten verschwinden und wir richtig planen können.
Hegel geht Ihnen zu.
Herzliche Grüße
Ihr
Siegfried Unseld
Anlage
[Anlage; Brief von S. U. an Nikolaus Siebenaller]
Herrn Rechtsanwalt
Nikolaus Siebenaller
Schottengasse 4
Wien1
Frankfurt am Main
25. Februar 1970
Sehr geehrter Herr Dr. Siebenaller,
Thomas Bernhard hat mir gesagt, daß Sie ihn in der Prozeß-Sache »Die Furche« vertreten. Ich schicke Ihnen anbei die Stellungnahme meines Stuttgarter Anwalts in dieser Frage.
Der Suhrkamp Verlag ist Ihnen sehr verbunden, daß Sie die Vertretung übernehmen. Für mich zählt Thomas Bernhard zu den wirklich Großen der zeitgenössischen Literatur. Wir sollten alles versuchen, daß ihm aus dieser Unmutsäußerung, die er ja sicherlich nicht wiederholen wird, kein Schaden erwächst.
Ich schicke Ihnen mit getrennter Post einige Bücher von Thomas Bernhard, damit Sie selber den Rang dieses Schriftstellers prüfen können. Ich weise Sie in diesem Zusammenhang auch auf den hier anliegenden Prospekt hin, in dem wir einige Stimmen von Kritikern angeführt haben.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr sehr ergebener
[Dr. Siegfried Unseld]
Anlagen 2
1 Anneliese Botond hält sich von 1970 bis 1974 in Lateinamerika auf.
2 Eine Anlage ist vermutlich identisch mit der Anlage zu Brief 105. Die zweite Anlage, der Prospekt, ist wahrscheinlich die in Brief 89 erwähnte.
[110]
Ohlsdorf
18. 3. 70
Lieber Siegfried Unseld,
ich werde das Manuskript des »Kalkwerks« Mitte April nach Frankfurt schicken und es kann dann im Herbst veröffentlicht werden, ich glaube, das ist der beste Zeitpunkt.
In Wien hat die »Furche« die Klage zurückgezogen während der Verhandlung, die dreiviertel Stunden gedauert hat. 1
Mein Schwung ist der beste.
Im Mai bin ich zu einer Vorlesung in Hamburg, zu diesem Zeitpunkt wollten Sie auch in Hamburg sein, mit dem »Autor« plaudern.
Hoffen wir, dass wir im Schauspielhaus Glück haben, das bis jetzt immer Unglück gehabt hat, was vielleicht unser Glück ist.
»Midland« bitte im Januar.
Hegel steht schon neben Kant. 2
Die Zukunft gehört niemandem.
Herzlich Ihr
Thomas Bernhard
P. S.: Ich bitte die Buchhaltung um Übersendung der Kontoauszüge für 69, auf Wunsch des Steuerberaters bitte das bewusste Darlehen auf gesondertem Blatt. 3
1 Die Hauptverhandlung in Sachen Furche gegen Th. B. findet am 11. März 1970 statt und endet mit einem gerichtlichen Vergleich.
2 In der Bibliothek von Th. B. in Ohlsdorf finden sich die bis 1970 erschienenen 16 Bände der Hegelschen Werke in zwanzig Bänden sowie die ebenfalls im Suhrkamp Verlag 1968 erschienenen Werke in zwanzig Bänden von Kant.
3 Am Rand dieses Absatzes ist von dritter Hand vermerkt »erl[edigt]. 20. 3. 70«.
[111; Anschrift: Ohlsdorf]
Frankfurt am Main
24. März 1970
Lieber Herr Bernhard,
schönen Dank für Ihren Brief vom 18. März. Ich war einige Zeit verreist. 1 Meine Buchhaltung sagte mir, daß sie Ihnen inzwischen die Kontoauszüge geschickt hat. Ich hoffe, das ist bei Ihnen angekommen.
Steht Ihr Hamburger Vorlese-Termin im Mai bereits fest? Dann schreiben Sie ihn mir doch bitte, damit ich mich einrichten kann. Ich freue mich auf jede Gelegenheit, Ihnen zu begegnen.
Herzliche
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