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Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld

Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld

Titel: Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimund Fellinger
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Floskeln aus, aber sogleich erzählte er das Erlebnis seiner Großmutter. Sie sei mit einem hochansehnlichen Mann verheiratet worden, als 18jährige, die Hochzeitsreise führte nach München. In der Nacht sei aber die Großmutter dem Bräutigam ausgerissen, weil er Forderungen an sie stellte, von denen sie noch nie etwas gehört hatte.
Jetzt ist mir auch klargeworden, warum Bernhard seine Forderung an das Salzburger Festkomitee gestellt hatte, sie möchten sein neues Stück ›Der Ignorant und der Wahnsinnige‹, ohne eine Zeile gelesen zu haben, [annehmen] und ihm DM 30.000.— zahlen. Kaut hatte ihm den ›Boris‹, den Thomas Bernhard ihm eigentlich gewidmet haben wollte, zurückgeschickt, das Manuskript abgelehnt und es als völlig bühnenunwirksam bezeichnet [siehe Anm. 2 zu Brief 18].
Verständlicherweise wollte er über den neuen Roman ›Korrektur‹ nicht sprechen. Auf mein Drängen sagte er nur so viel: Es ist die Geschichte eines 40jährigen, der sieht, daß er etwas falsch gemacht habe, im Leben, das korrigiert werden muß. Er muß die Dinge seiner Umwelt schärfer sehen.«
Aus dieser mündlichen Erzählung entsteht der Plan zu autobiographischen Aufzeichnungen, die zunächst unter dem Titel Erinnern zwischen Th. B. und S. U. besprochen werden.

[195; Telegramm]
     
    Steyrermühl
    8. 6. 72
    einsteinblau sehr gut 1
    herzlichst bernhard
    1   Die Umschlagfarbe des im Frühjahr 1972 erschienenen Romans von Gerhard Roth ist metallic. Die Erstausgabe von Der Ignorant und der Wahnsinnige hat, in Abweichung zu den vom Umschlaggestalter der Bibliothek Suhrkamp, Willy Fleckhaus, festgelegten Farbtönen, einen metallicfarbenen Umschlag.

[196]
     
    Ohlsdorf
    28. 6. 72
    Lieber Doktor Unseld,
    das höchste Glück ist das Glück im Unglück, zurück bleibt ein durchaus philosophischer Zustand.
    Der Gegenstand unseres Nachdenkens ist die Verwunderung über unser Glück im Unglück.
    Ein Un-Fall ist, mit allen seinen Möglichkeiten, unschätzbar, wenn wir Glück gehabt haben.
    Keine Meditationen!
    Meine Grüsse der Frau Zeeh, die mich also nicht erschrecken, sondern froh werden hat lassen, weil ja alles schon gut überstanden war. 1 Unser Thema: in Salzburg probiert Herr Ganz, mit dem ich gestern zum erstenmal zusammengekommen bin, was eine grosse Faszination für mich bedeutete. Wenn dieser Mann zu seiner hohen Kunst auch noch Glück hat, bekommen wir ein herrliches Schauspiel zu sehen. Es gibt keinen besseren im Augenblick für meine Sätze. Man muss ihn sprechen und sich bewegen und über beides philosophieren sehen.
    Wahrscheinlich ist die Intensität, mit welcher jetzt geprobt werden muss, der kurze fürchterliche Termin, das beste. Wir erreichen immer nur alles durch Überkonzentration. Indem wir zum Äussersten gezwungen sind aus Angst und Leidenschaft für das, was wir können. Weil wir gegen die Gesellschaft alles tun müssen!
    Wenn das Buch noch nicht fertig ist, wünsche ich zwei komplette Umbruchexemplare sofort.
    Die Spannung zwischen der »Korrektur«, die mich vollkommen abschliesst, und der Arbeit in Salzburg, ist die nützlichste.
    Wann werden Sie kommen? Wieviel Tage? Hier haben wir einen eiskalten, erfrischenden See, wie Sie wissen.
    Von Gmunden nach Salzburg ins Theater zu fahren und wieder zurück wäre das idealste. Was sagen Sie?
    Herzlich
    Ihr Thomas B.
    1   Th. B. spielt auf einen Autounfall von S. U. an, über den ihn Burgel Zeeh in einem Brief vom 22. Juni unterrichtet hat. Darin heißt es: »[. . .] jetzt, da der größte Schreck vorbei ist, möchte ich Ihnen doch sagen, daß Herr Dr. Unseld letzte Woche auf der Autobahn einen Unfall hatte und im Heilbronner Krankenhaus liegt. Es deutet alles darauf hin, daß er mit einem Schlüsselbeinbruch (und keinen sonstigen Verletzungen) am Montag nach Frankfurt zurückkommt. Er hatte sehr viel Glück, und wir sind alle froh, daß es so glimpflich ausgegangen ist.«

[197; Telegramm]
     
    Salzburg
    21. 7. 72
    bs ignorant voll unverantwortlicher peinlicher fehler ploetzlich vor allem medizinischer woerter erschreckend 1
    bernhard
    1    Der Ignorant und der Wahnsinnige erscheint im Juli als Band 317 der Bibliothek Suhrkamp.

[198; Anschrift: Ohlsdorf; Telegrammnotiz]
     
    Frankfurt am Main
    25. Juli 72
    Ankomme Freitag, 28. Juli 11.30 Flughafen. Hotel Hohenstauffen Salzburg Stauffenstrasse 18. Können wir uns treffen?
    Herzlich Siegfried Unseld

[199; Anschrift: Ohlsdorf]
     
    Frankfurt am Main
    2. August 1972
    Lieber

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