Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld
Sie sich bitte die Rückseite des Umschlags an, also dort, wo die schwarze Schrift aufgedruckt ist. Reicht Ihnen das aus? Bitte, sagen Sie mir rasch Bescheid .
Herzliche Grüße
Ihr
Unseld
1 Im Reisebericht Wien—Salzburg—Alpbach, 22.-27. Mai 1972 schreibt S. U. über das Salzburger Treffen:
»Es war sicherlich das angenehmste Zusammensein. Bernhard war in bester erzählerischer Stimmung und erzählte mir – ganz offensichtlich von der Salzburger Atmosphäre bestimmt – von seiner Jugend und Kindheit.
Wir haben folgendes Konkrete besprochen:
Publikationsplan :
Juli – BS: ›Der Ignorant und der Wahnsinnige‹
1. November:
Ablieferung eines neuen Romans ›Korrektur‹ (ohne Artikel) Erscheinungstermin 1. Halbjahr 1973
Ende Dezember
1972 erhalten wir das Manuskript seines neuen Schauspiels. Darüber darf jetzt aber von niemandem von unserer Seite aus gesprochen werden, da wir erst den ›Ignoranten‹ zur Wirkung bringen müssen. Das Stück wird für die Saison 73/74 eine Rolle spielen.
Er arbeitet auch wieder an dem es-Band 500 ›Atzbach. Vorschriften‹. Am liebsten habe er eine Ausgabe seiner Erzählungen ›Watten‹ und ›Ungenach‹ in der BS, aber hier zögerte ich doch sehr. Mir scheint es wichtiger, diese Bände einzeln in der e. s. weiter zu bringen.
Wir diskutierten dann sehr ausführlich einen Bernhard-Reader nach der Art Artmann [ The Best of H. C. Artmann , 1972] – Handke [ Prosa Gedichte Theaterstücke Hörspiel , 1969] – Hildesheimer.
Es ergibt sich folgender Publikationsplan:
Juli 1972 ›Der Ignorant und der Wahnsinnige‹ in der BS
1. Halbjahr 1973 ›Korrektur‹
2. Halbjahr 1973 es-Band 500: ›Atzbach‹
st 131: ›Kalkwerk‹
1. Halbjahr 1974 Bernhard-Reader
Ist Vorsorge getroffen, daß die Salzburger, und auch vielleicht andere wichtige österreichische Buchhandlungen, mit dem BS-Band ›Ignorant‹ vorzeitig beliefert werden? Die Premiere ist Ende Juli 1972. Die zweite Aufführung findet ja am 1. September in Berlin statt. Sollte man eine Bauchbinde umlegen mit dem Hinweis auf die beiden wichtigen Aufführungen? Vielleicht könnte man sich auch ein Plakat vorstellen nach der Art des Handke-›Tormann‹-Plakates. Ein entsprechendes Bild liegt uns ja vor.«
In einer weiteren Notiz, Gespräch mit Thomas Bernhard am Freitag, dem 26. Mai in Salzburg , hält S. U. fest:
»Bernhard war direkt aufgekratzt. Er freute sich, daß ich ›extra seinetwegen‹ von Alpbach nach Salzburg gekommen bin.
Wir schlenderten durch die Straßen von Salzburg, beredeten dann einige konkrete Dinge und Publikationspläne, hauptsächlich erzählte er aber, von mir provoziert und immer wieder im Erzählfluß gehalten, von seiner Kindheit und Jugend in Salzburg. Er ging davon aus, daß Carl Zuckmayer in der ›Henndorfer Pastorale‹ [Die Erinnerungen von Carl Zuckmayer an seine Jahre in Henndorf erschienen 1972 im Residenz Verlag; das Zitat findet sich dort auf S. 43.] von seiner unglücklichen Jugend geschrieben habe, im Text des Buches heißt es aber von einer ›eher beschatteten Jugend‹. ›Sicher war es 30 Jahre lang gräuslich.‹ Sicher war alles ein Chaos, aber direkte Not zu leiden hatte Thomas Bernhard nie. Seinen Vater hatte er nie kennengelernt, wohl aber seinen Stiefvater. Früher Tod der Mutter. Er wuchs dann bei seinem Großvater, dem, wie Zuckmayer schrieb, ›immer noch unbekannten Epiker Johannes Freumbichler‹ [a. a. O., S. 42] auf. Die Familie wollte ihn zu einem bürgerlichen Studium zwingen. Die Juristerei stand obenan. Aber Bernhard schlug immer wieder aus, da er schon immer im Kirchenchor sang, wollte er Sänger werden, und durch die Vermittlung von Frau Zuckmayer sang er auch einmal den Salzburger Operngewaltigen vor. Aber im wahrsten Sinne des Wortes blieb ihm beim Vorsingen der Ton in der Kehle stecken. Die Sache scheiterte [siehe auch Anm. 1 zu Brief 441]. Er hatte schon immer für sich geschrieben, seitdem er 15 Jahre alt war, gelegentlich auch die Familie mit Vorlesen geplagt. Entscheidend war aber seine Verbindung mit Herrn Kaut, dem jetzigen Präsidenten der Salzburger Festspiele. Er war damals Redakteur des ›Demokratischen Volksblattes‹, das es heute noch gibt. Er ermutigte Bernhard zum Abfassen von Prozeßberichten, die dann auch im ›Demokratischen Volksblatt‹ erschienen sind. Kaut ist überhaupt derjenige, der Bernhard dann ermutigte und bestärkte, Schriftsteller zu werden.
Nach seiner Beziehung zu Frauen gefragt, wich er immer auf
Weitere Kostenlose Bücher