Der Briefwechsel Thomas Bernhard/Siegfried Unseld
Unseld
1 S. U. lädt seit 1959 jährlich während der Buchmesse (sie fand 1966 zwischen dem 21. und 27. September statt) Literaturkritiker zu einem Empfang ins Haus des Verlegers. Dabei liest ein Autor aus einem Manuskript, das im folgenden Jahr als Buch erscheint. Anneliese Botond schreibt unter dem Datum des 9. September 1966 handschriftlich an Th. B.: »Das Stück, das Sie geschickt haben, ist gut. Aber gleichzeitig stelle ich fest – ich kann es nur registrieren —, daß es nicht die gleiche Faszination auf mich ausübt wie z. B. ›Amras‹.« Im Thomas-Bernhard-Archiv hat sich ein von Th. B. paginiertes und handschriftlich von ihm mit »Moser versucht es zum drittenmal« überschriebenes zwölfseitiges Manuskript erhalten (SL 10.17). Es handelt sich dabei um einen Auszug aus Verstörung in einer Vorstufenversion (die Druckfassung findet sich in Th. B.: Werke 2 , S. 127-140).
[28]
[Ohlsdorf]
9. 12. 66
Lieber Herr Dr. Unseld,
ich möchte Sie gern treffen, wenn Sie, wie angekündigt, ins Gebirge reisen.
Ich freue mich, dass das neue Buch schon im Satz ist und die Fahnen in den nächsten Tagen kommen. Je mehr ich nachdenke, entdecke ich in »Verstörung« einen immer besseren Titel.
Mit Musulin will ich im Jänner ein halbstündiges Gespräch für das westdeutsche Fernsehen, das neue Buch betreffend, führen, das im März gesendet wird. 1
Alles Propagandistische will ich wo und wie ich nur kann, unterstützen, es hat das ja auch seine Reize. Den Grossteil meiner Zeit bringe ich ab jetzt in Nathal abgeschlossen, abgeschirmt, zu mit einer neuen grossen Arbeit, solange, bis ein Ortswechsel, Brüssel oder London, dafür wieder notwendig wird.
Ich habe hier einen idealen Kerker als Arbeitshaus in der denkbar besten Umgebung.
Wahrscheinlich bin ich in der zweiten Jännerhälfte einmal auf ein paar Tage in Frankfurt. 2
Herzlich Ihr
Thomas Bernhard
1 Der WDR sendet das knapp dreißigminütige Gespräch von Th. B. mit Janko von Musulin am 6. März 1967 in der Reihe Selbstanzeige .
2 Der Brief trägt die handschriftlichen Vermerke eines Dritten: »Eilboten« sowie: »Ohlsdorf, Oberösterreich«.
[29; Anschrift: Ohlsdorf]
Frankfurt am Main
13. Dezember 1966
Lieber Herr Bernhard,
ich danke Ihnen für Ihren Brief vom 9. Dezember. Frau Dr. Botond hat Ihnen ja hoffentlich in aller Deutlichkeit ausgedrückt, daß ich über den Titel »Verstörung« reichlich unglücklich bin, und noch unglücklicher bin ich über Ihre Intransigenz im Anhören unserer anderen Titelvorschläge. 1 Machen Sie dem Verlag nie einen Vorwurf, wenn das Buch nicht den Erfolg hat, den es von seinem Text her verdient. Es ist ein vorzüglicher Text, und ich bin sehr froh, daß wir ihn herausgeben können, aber es ist äußerst bedauerlich, daß Ihr Buch einen Titel hat, der die Käufer abschrecken wird.
Ich werde vom 22. Dezember abends bis zum 3. Januar im Hotel Bellevue, St. Christoph/Arlberg, sein. Es wäre schön, wenn wir uns dann treffen könnten.
Danach fahre ich für 1-2 Tage zu Günter Eich nach Bayrisch Gmain. 2
Mit den besten Grüßen
Ihr
Siegfried Unseld
1 Anneliese Botond schlägt zunächst als alternativen Titel »Der Fürst« vor, rät Th. B. dann, nachdem die Kollegen Braun und Busch Verstörung als »vorzüglich« beurteilen und typisch für Bernhard halten, bei diesem Titel zu bleiben.
2 In Bayerisch Gmain lebt Günter Eich.
1967
[30; Anschrift: 〈Ohlsdorf〉]
Frankfurt am Main
21. Februar 1967
Lieber Herr Bernhard,
vielleicht wissen Sie es schon durch Frau Botond, ich möchte es Ihnen aber in jedem Fall auch selber mitteilen: Wir haben die technischen Abteilungen der Verlage Insel und Suhrkamp etwas näher zusammengerückt. Ich habe mein Insel-Sekretariat in das Suhrkamp-Haus, Grüneburgweg 69, verlegt, wo nun ebenfalls die Lektoren von Suhrkamp und Insel, also auch Frau Dr. Botond, domizilieren. Sonst wird sich nichts ändern außer der Tatsache, daß ich hoffe, gerade in den technischen Abteilungen etwas effektiver zu werden. Sie erreichen die Lektoren, die Insel-Herstellung und mich also über die Adresse Grüneburgweg 69, Postfach 2446, Telefon 72 08 01.
Herzliche Grüße
Ihr
Siegfried Unseld
[31; Anschrift: 〈Ohlsdorf〉]
Frankfurt am Main
22. März 1967
Lieber Herr Bernhard,
von gut unterrichteter Seite im Hause höre ich, daß Sie von einer gut unterrichteten Stelle des Hauses bereits erste Exemplare Ihres Romans erhalten haben,
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