Der Briefwechsel
wirkungsvoll. Peymann macht es ganz richtig. Die vier Sprecher quälen sich entsetzlich mit dem Text ab, der wirklich nicht leicht zu lernen ist. Es wäre gut, wenn Sie mindestens 8 Tage vor der Premiere in Frankfurt auftauchten, dann gibt es immer noch die Möglichkeit, das eine oder andere was Ihnen nicht gefällt zu streichen. Oberhausen macht die ›Weissagung‹ zusammen mit der ›Publikumsbeschimpfung‹ [siehe Brief 26, Anm. 1], das Dritte Programm des Deutschen Fernsehens zeichnet die Frankfurter ›Publikumsbeschimpfung‹ auf (für 5.000,– DM Honorar), der Hessische Rundfunk bringt die ›Publikumsbeschimpfung‹ als Hörspiel. Das Staatstheater Braunschweig wird in seinem Studio-Programm in der nächsten Spielzeit ebenfalls die ›Publikumsbeschimpfung ‹ machen. Ansonsten noch viele Kleinigkeiten in Presse und Funk. Ich freue mich, daß wir uns bald wiedersehen. Für Publicity haben Sie reichlich in Princeton gesorgt.«
39 [20; Anschrift: ]
Frankfurt am Main
22. Juni 1966
Lieber Herr Handke,
ich habe gar nichts gegen lange Briefe, im Gegenteil, ich danke Ihnen dafür. In der Sache selbst nehme ich freilich einen anderen Standpunkt ein. Es ist völlig sinnlos, auf Kritiken direkt zu reagieren. Jeder Kritiker hat das Recht, seine Meinung zu äußern, und insofern sie nicht ehrenrührig ist, ist jeder, der an die Öffentlichkeit tritt, angehalten, diese Kritik auch anzunehmen. Inwiefern sie in den einzelnen sachlichen Punkten zutrifft, ist eine ganz andere Frage. Ich kenne Wolfgang Werth sehr genau, er hat eine andere Einstellung zu den Dingen, aber er ist keineswegs ein alter, verkalkter Kritikaster, sondern ein sehr junger Mann, dem man Voreingenommenheit nicht vorwerfen kann. Ich möchte Ihnen also dringend raten, ja, ich flehe Sie an, nichts gegen diese Kritiken zu schreiben, am besten überhaupt nicht auf sie zu reagieren, sie sind weder verlogen noch leichtfertig, jedenfalls im Falle der »Zeit«. Wir werden sehr darauf bauen, daß die Wirkung Ihres Buches länger besteht als die solcher Kritiken in den Tagesjournalen.
Beim Residenz Verlag würde ich vielleicht so verfahren, daß Sie ihm lediglich Abdruckrechte, aber keine weitergehenden Verlagsrechte einräumen. Wenn der Verlag damit nicht einverstanden wäre, zöge ich doch lieber vor, daß Sie uns die Geschichten schickten und wir dann von uns aus mit dem Residenzverlag sprächen.
Herzliche Grüße
Ihr
[Siegfried Unseld]
40 [21; Anschrift: 1 ]
Frankfurt am Main
22. August 1966
Lieber Herr Handke,
ich überlege mir, ob es richtig wäre, Sie während der Messe vor einem ausgewählten Kritikerkreis lesen zu lassen. Das kommt auch etwas darauf an, welchen Text Sie zur Lesung anbieten können. Wäre es wohl möglich, daß Sie mir zwei oder drei Vorschläge machten und mir diese Texte zuschickten? Die Sache ist eilig.
Herzliche Grüße
Ihr
[Siegfried Unseld]
1
P. H. übersiedelte von Graz nach Düsseldorf-Unterrath, in die Wattenscheiderstraße 2/708, mit Libgart Schwarz, die in Düsseldorf ein Engagement am Theater hatte.
[22]
Düsseldorf[-Unterrath]
29. August 1966
Lieber Herr Dr. Unseld,
herzlichen Dank, daß Sie erwogen haben, mich vor den Kritikern lesen zu lassen. Aber ich glaube, das wird nicht möglich sein. Von dem Roman habe ich zwar schon recht viel Material da, aber es ist erst wenig so ausgearbeitet, daß man's wirklich vorlesen könnte. Ich meine, die Sätze in den einzelnen Kapiteln sind noch nicht richtig aufeinander abgestellt, sondern ich habe mir nur einfach einmal wahllos die für ein Kapitel in Frage kommenden Sätze aufgeschrieben. 1 Von dem, was schon ganz fertig ist, habe ich
41 einen Teil ja schon in Princeton gelesen, obwohl sich inzwischen auch daran viel geändert hat. Es tut mir leid, daß ich Ihnen nicht dienen kann, ich würde mindestens noch eine Woche brauchen für ein ordentliches fertiges Stück, und von einer anderen Sache als dem Roman haben Sie wohl nichts. Ich hätte gern etwas gelesen. Aber mit unfertigen Sachen möchte ich doch nicht kommen. Verzeihen Sie mir also meine Einstellung.
Und eine Bitte: wäre es, glauben Sie, möglich, daß ich in einer angesehenen Zeitung oder Zeitschrift ab und zu Bücher rezensiere? Selbstverständlich werde ich mich selber dafür interessieren, aber ich dachte, vielleicht wäre es nicht allzu schlimm für Sie, mir dabei irgendwie zu helfen (nicht beim Rezensieren). Es geht mir nicht so sehr um ein Honorar, sondern um
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