Der Briefwechsel
die Möglichkeit, meine Meinung von Literatur (ohne Beschimpfungen) zu erklären. Ich möchte nicht klein beigeben.
Und vielen Dank für Ihre Freundlichkeit, die Sie mir bisher immer erwiesen haben. Ich werde mich bemühen, sie zu verdienen.
Herzlich
Ihr
Peter Handke
1
P. H. hatte in Princeton aus seinem zweiten Roman Der Hausierer gelesen. Das Notieren von Sätzen, aus denen dann die »Texte« montiert werden bzw. die als Modelle dienen, ist ein Arbeitsverfahren von P. H. Von seinen Notizen zum Hausierer hat sich eine kleine Sammlung erhalten, die P. H. in das Programmheft einer Urfaust -Inszenierung der Vereinigten Bühnen Graz 1965/66 (großteils in Stenographiekürzel) geschrieben hat (siehe: Peter Handke . Eine Ausstellung über Leben und Werk , S. 40).
42 [23; Anschrift: ]
Frankfurt am Main
1. September 1966
Lieber Herr Handke,
schönsten Dank für Ihren Brief. Ihren Standpunkt verstehe ich voll und ganz, verschieben wir also die Lesung. 1
Jetzt noch etwas anderes. Ich bin mir nicht mehr im klaren, ob ich Ihnen berichtet habe, daß wir mit dem Rowohlt Verlag eine Lizenz für eine Taschenbuch-Ausgabe der »Hornissen« vereinbart haben. Dieses Buch kann frühestens im Herbst 1968 , also in zwei Jahren, erscheinen. Es wird deswegen auch nicht den Gang des jetzigen Buches stören. Wir aber haben da eine zweite Möglichkeit, Leserschichten zu erreichen. Der Rowohlt Verlag zahlt ein Honorar von DM 3.000 – (für 30 [000] Exemplare); das Honorar ist zur Hälfte bei Abschluß des Vertrages fällig, zur anderen Hälfte bei Erscheinen der Ausgabe 1968. Diesen Betrag teilen wir uns nach unserem Vertrag. Ihnen stünden dann, wenn wir den Vertrag schließen, in Kürze 750 DM zur Verfügung.
Mit herzlichen Grüßen
Ihr
[Siegfried Unseld]
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Auf dem Empfang für Literaturkritiker während der Frankfurter Buchmesse (21. September-27. September 1966) um 17.00 Uhr in der Klettenbergstraße 35 (seit 1959 präsentiert jeweils ein Autor den Auszug aus einem Manuskript, das im folgenden Jahr als Buch erscheint) las am 22. September 1966 Thomas Bernhard aus Verstörung.
43 [24; Anschrift: ]
Frankfurt am Main
19. Oktober 1966
Lieber Herr Handke,
hat Sie eigentlich der »Offene Brief« von Grass in der »Münchner Abendzeitung« erreicht? Und wenn ja, haben Sie irgendwie darauf reagiert? Falls dies geschehen ist, so informieren Sie mich doch bitte. Falls nicht, so sollte man das wahrscheinlich auf sich beruhen lassen. 1
Herzliche Grüße
[Siegfried Unseld]
1
Günter Grass, Bitte um bessere Feinde. Offener Brief an Peter Handke , in: Sprache im technischen Zeitalter , Oktober 1966, S. 318-320; Vorabdrucke finden sich in: Stuttgarter Zeitung , 20. September 1966, sowie in: Münchner Abendzeitung , 1./2. Oktober 1966. »Lieber Herr Handke, nun haben Sie es geschafft. Ihre leichtfüßig zitierbare Rede zum Thema ›Beschreibungs-Impotenz‹ hat Ihnen zu einem Podest verholfen, dessen Höhe das unausgesetzte Herabsagen Ihrer knappen Aussagesätze, die niemals Beschreibungssätze sind, erlaubt. Jetzt erst, Monate nach Ihrem Sieg, während Sie gewiß Ausschau halten nach neuen Feinden, will ich das Dankeschönsagen nicht vergessen. […] Nicht die Gruppe 47, sich selbst wollten Sie öffentlich anklagen, als Sie die planen Beschreibungskünste Ihrer Kollegen zerdonnerten; es war nicht Ihr Ergeiz, ›Aufhänger‹ rasch geschriebener Artikel zu werden, vielmehr befanden Sie sich konstant auf der Flucht vor Journalisten. Jedes Interview lehnten Sie standhaft ab. Bescheiden wollten Sie hinter Ihrer Leistung zurückstehen.« (Zitiert nach: Günter Grass, Werke , Band 11 , S. 178ff.)
P. H., Bitte kein Pathos! Antwort auf den offenen Brief von Günter Grass , in: Münchner Abendzeitung , 22./23. Oktober 1966.
»Lieber Herr Grass, seltsame Briefe sind das, die den, an den sie sich richten, mit einer Verspätung von 17 Tagen und da nur durch einen Zufall erreichen. […]
Trotzdem vielen Dank.
44 Sie müssen mir nur erlauben, daß ich versuche, Ihnen meine Antwort ebenso offen zu schreiben, erstens, weil ich noch nie an jemanden einen offenen Brief geschrieben habe, zweitens, weil es mir Spaß macht, einmal einen offenen Brief zu schreiben, und dann, weil ich glaube, man sollte überhaupt viel öfter offene Briefe schreiben.
Ich möchte nicht ironisch werden, obwohl das Thema (Sie wissen es) dazu verlockt. Ihr Brief ist so ironisch gewesen, daß ich, ehrlich,
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