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Der Brombeerpirat

Der Brombeerpirat

Titel: Der Brombeerpirat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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verwunschenes Stück Insel. Durch die grünen Blätter der knorrigen Birken stach die Sonne in das schattige Dickicht, warf ihr gleißendes Licht auf meterhohe Brennnesseln und scharfkantige Gräser. Das Konzert der Vögel drang wie durch einen Vorhang an ihre Ohren, ansonsten war es herrlich still, und Wencke hörte nur noch ihren eigenen Atem, der nach den Zigaretten von gestern Abend etwas angestrengt klang. Sie blieb stehen.
    Als sie sich umdrehte, war Remmer bereits ein großes Stück hinter ihr zurückgeblieben. Wencke setzte sich an den Wegrand einer kleinen Lichtung. Ein Holunderstrauch warf seinen faserigen Schatten auf den Sand, und üppige Brombeerranken lagen so verführerisch in Reichweite, dass sie sich eine Hand voll praller Beeren pflückte und in den Mund steckte. Süß und würzig, ein wenig knirschend vom Sand und den kleinen Kernen im Inneren der Frucht. Sie dachte an die Brombeermarmelade ihrer Großmutter. Ein heimeliger, gemütlicher Gedanke, und mit einem Mal verspürte sie keinen Drang mehr, sich jemals von diesem schattigen Ort zu erheben.
    »Warum nennen sie Jasper den ›Brombeerpiraten‹?«, fragte sie Remmer, der sich außer Atem neben sie fallen ließ.
    »Unser Probenraum, wir sind noch ein paar Schritte davon entfernt. Ein alter Bunker in den Dünen, mitten in einem Brombeergebüsch. Soll wohl abschätzig klingen, so nach dem Motto: Die haben wir ganz weit weg verbannt, damit sie ihren Krach machen können.«
    »Könnte es nicht auch nett gemeint sein?«
    Er schüttelte den Kopf. »Wäre es nett gemeint, dann würden sie uns anders nennen. Die Dünenrose ist nämlich so etwas wie das Norderneyer Nationalgewächs. Wenn wir also wirklich dazugehören würden, dann hießen wir ›Dünenrosenpiratem.«
    Wencke lachte. »Klingt ein wenig wie ›Unterhosenpiraten‹ . «
    Seine Lippen wölbten sich etwas freundlicher nach oben. »Stimmt.« Doch sein Lächeln war nur sehr flüchtig.
    »Stört ihr den Inselfrieden denn so sehr, dass du hinter jedem kleinen Scherz eine Feindseligkeit witterst?«
    Er schwieg eine Weile, wahrscheinlich hatte sie einen wunden Punkt erwischt.
    »Leefke Konstantin war kurz vor ihrem Tod noch bei unserer Probe. Sie wollte Jasper sprechen und ihm diesen Zettel hier geben.« Er zog ein zerdrücktes Papier aus seiner Gesäßtasche. »Eigentlich wollte ich ihn gestern der Polizei geben, weil ich dachte, er könnte von Bedeutung sein. Hab’s mir aber doch anders überlegt und ihnen nur von ihrem Auftauchen im Bunker gestern Abend erzählt.«
    Wencke entfaltete das rosafarbene Papier. »Ruhestörung?«
    Sie überflog die handgeschriebenen Worte, die etwas über ein Geheimnis erzählten, über Schweigen und Reden, und zwischen den Zeilen entdeckte sie ein bisschen Angst und jede Menge Wut. »Worauf bezieht sich der Text?«
    »Ich könnte mir vorstellen, dass es eine Art Abrechnung ist. Die Jugendlichen auf der Insel fühlen sich teilweise … nun, wie soll ich sagen, an die Seite gedrängt. Eigentlich nichts Spektakuläres, diese Probleme gibt es anderswo genauso wie hier. Es wird halt nicht so gern gesehen, wenn sie in den Parks und auf den Straßen rumhängen.«
    »Haben die Jugendlichen denn keinen Gemeinschaftsraum oder so etwas?«
    Remmer hatte sich auch ein paar der dunkelblauen Beeren gepflückt. »Doch, es gibt das ›Haus der Begegnung‹ und jede Menge Freizeitaktivitäten auf der Insel, sie können sich eigentlich nicht beklagen. Vielleicht bleibt in der Hektik der Hochsaison das Familienleben ein wenig auf der Strecke, und die einzige Disco für Insulanerkinder hat seit ein paar Jahren geschlossen. Aber dies ist in meinen Augen kein Grund, einen solchen Text zu schreiben.«
    »Und was hat mein Bruder damit zu tun? Ist er wirklich ein … unmoralischer Verführer?«
    »Hmm«, brummte Remmer. Er sah sie nicht an. Er hatte sie bislang noch nie direkt angesehen. Seine Unsicherheit schien sich immer vor sein wahres Ich zu schieben. Er war ein bisschen zu dick, als dass man noch hätte darüber hinwegsehen können, und seine Haut hatte diesen nervösen Rotton eines Neurodermitikers. Doch dass mehr in ihm steckte, als Rika es erzählt hatte, lediglich solide und vernünftig, das war Wencke klar geworden, als er ihr gestern Abend ohne viel Worte genau das gegeben hatte, wonach sie sich sehnte: ein Mineralwasser und Pfefferminzbonbons.
    Endlich hatte er sich eine Antwort zurechtgelegt. Konnte es sein, dass er sie schonen wollte?
    »Oma Alide war eigentlich diejenige

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