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Der Brombeerpirat

Der Brombeerpirat

Titel: Der Brombeerpirat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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auf der Insel, die sich für unsere weniger bequemen Jugendlichen eingesetzt hat. Fast bis zu ihrem Tod im Januar war sie die Vermittlerin für beide Seiten. Jetzt hat Jasper diese Rolle übernommen. Und es ist so, dass er auf der Insel mehr als nur misstrauisch beäugt wird. Denn Alide Konstantin war eine ziemlich fette, kranke alte Dame, und Jasper Tydmers ist ein leichtlebiger Junggeselle, der zudem von den jungen und älteren Mädels heftig umschwärmt wird. Keiner sagt was, aber jeder denkt sich seinen Teil.«
    »Reicht es für … für einen Mord?«
    Remmer sah sie nun doch direkt an. »An Jasper? Nein, niemals. Die meisten Insulaner sind eigentlich froh, dass er diesen Job übernommen hat.«
    Ein paar lachende Möwen drehten über ihren Köpfen weiße Runden in den blauen Himmel, und ein Kaninchen versuchte, sich mit seinem graubraunen Fell im Dünengras zu tarnen. Das ganze idyllische Inselleben breitete sich vor ihnen aus, und Wencke beschlich der Verdacht, dass vielleicht alles gar nicht so schlimm war, wie es aussah.
    Dann fiel der Schuss.
    Wencke meinte für einen flüchtigen Moment den Luftzug des Projektils zu spüren, das an ihrem Gesicht vorbeizog. Der Holunderbusch zappelte, als wäre er lebendig geworden, und ein paar Beeren spritzten ihren aromatischen Saft wie Blut über Wenckes T-Shirt.
    Remmer fiel nach hinten und blieb aschfahl im Sand liegen. Für einen kurzen Moment dachte Wencke, er wäre getroffen, doch dann riss er seine Augen auf: »Was war das?«
    »Scheiße, das war ein Schuss. Wer ballert hier verdammt nochmal rum?« Wencke war mit einem Ruck auf den Beinen, instinktiv griff sie nach Remmers Arm und zog ihn zu sich auf den Weg.
    Sie blickten sich um. Es war noch nie auf sie geschossen worden, bislang war ihr das erspart geblieben. Doch woher auch immer, sie hatte das sichere Gefühl, dass der Schütze sich hinter einem dichten Busch auf der Südseite des Weges befand. Sie rannte darauf zu, spürte kurz das Brennen des Unkrautes an ihren Beinen, suchte nach einer hektischen Bewegung zwischen schrägen Baumstämmen und undurchdringlichem Dickicht, aber sie musste die Lider zusammenkneifen, da die grellen Lichtpunkte der Sonne ihre Augen schmerzhaft blendeten. Sie blieb kurz stehen.
    »Bist du verrückt, Wencke, bleib hier!«, schrie Remmer.
    Doch sie pirschte schon weiter wie ein Jäger durch das Gestrüpp, schob mit den nackten Armen die Äste und Ranken zur Seite und schaffte es mit kräftigen Schritten bis zu dem Busch, hinter dem sie den Schützen vermutete. Ihr Atem ging ruhig, sie wunderte sich selbst, dass sich keine Angst zeigte.
    Es krachte wieder. Das musste ein Gewehr sein, keine Pistole, der Klang eines Gewehrs war irgendwie mächtiger. Die Aste fünf Meter weiter zersplitterten wie in Zeitlupe, die zweite Kugel hatte sie also weit verfehlt, doch sie schien aus nächster Nähe abgefeuert worden zu sein. Laut und wild hallte es von den Dünen wider. Wencke ließ sich nicht beirren, sie wollte sehen, wer es war, wer ihr da ans Leder wollte. Also weiter, ein Strauch wilder Rosen riss ihre Haut ein, noch ein paar Meter bis zum nächsten Versteck, noch ein paar mühselige Schritte durch das verwirrende Dickicht der Pflanzen, dann würde sie dieser Person ins Gesicht schauen. So schnell konnte man mit einem Gewehr nicht flüchten. Sie war schneller.
    Sie spürte den Schmerz im Arm, noch ehe sie den dritten Schuss gehört hatte. Er war aus einer anderen Richtung gekommen. Ein zweiter Schütze also. Sie griff sich mit der rechten Hand an die Stelle, in der sie das pulsierende Beißen der offenen Haut spürte, dann ließ sie sich flach auf den Bauch fallen.
    »O Gott!«, schrie Remmer.
    »Es ist nichts Schlimmes.« Hoffentlich konnte er sie hören, sie lag vornüber im Sand und atmete die trockene Luft zwischen den knirschenden Körnern ein. Es tat höllisch weh, nicht so sehr der kleine Streifen über ihrer Hand, sondern vielmehr die Gewissheit, dass es jemand auf sie abgesehen hatte, mindestens zwei Killer, die eine Waffe auf sie richteten, und zwar in diesem Augenblick. Liegen bleiben, klein beigeben, tot stellen.
    Oder aufstehen, rennen, flüchten und … kämpfen?
    Diesmal war es Remmer, der ihre Hand nahm, der ihren Arm schmerzhaft in die Länge zu ziehen schien, um sie in die Senkrechte zu bekommen. Seine schweißnassen Hände glitten aus den ihren, er griff fester zu. »Wencke, Wencke, wenn du nicht gleich deinen Hintern in Bewegung setzt, dann haben sie uns. Bitte, lass

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